Die Polizei hat keine Freude an der Einführung der beweissicheren Atemalkoholprobe. Sie bezweifelt, dass es überhaupt entsprechende Atemluftmessgeräte geben wird, die auf Patrouillenfahrzeugen mitgeführt werden können.
Die Polizeikorps der Schweiz seien praktisch unisono sehr unglücklich über die Einführung der beweissicheren Atemluftprobe anstelle der bisherigen Blutprobe, heisst es in der Antwort der Arbeitsgemeinschaft der Chefs der Verkehrspolizeien auf die Anhörung des Bundesamtes für Strassen (ASTRA).
Die Voraussetzung, dass jede Probe gleichzeitig mit zwei unabhängigen Verfahren gemessen werden müsse, führe dazu, dass die Geräte kaum handlich seien und im Fahrzeug mitgeführt werden könnten. Dies sei aber eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass das Verfahren für die Polizei effizienter werde.
Dann müsse mit dem neuen Verfahren gegenüber der Blutprobe auch ein grosser Nachteil bei der Beweiskraft in Kauf genommen werden. Die Messung könne später nicht wiederholt werden, wie es bei der Blutprobe jederzeit möglich wäre, und es könnten auch keine Untersuchungen auf Drogen- oder Medikamentenkonsum durchgeführt werden. Gerade beim Mischkonsum wäre das aber wichtig.
Schliesslich koste die Umstellung viel Geld. Etwas resigniert bemerkt die Arbeitsgemeinschaft der Chefs der Verkehrspolizeien der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein (ACVS): «Wir müssen uns aber dem Gesetzgeber beugen.»
Zeitpunkt der Einführung umstritten
Der Vorstand der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) schliesst sich der Stellungnahme der ACVS an. Er verlangt zudem, dass die Kantone genügend Zeit haben müssen, um die neuen Geräte zu beschaffen. Die neuen Bestimmungen sollten deshalb erst auf den 1. Januar 2017 in Kraft gesetzt werden.
Dies verlangen auch einzelne Kantone, deren Stellungnahmen vorliegen. Der vorgesehene Einführungstermin, der 1. Juli 2016, sei wegen der Budgetierung, Formularanpassungen und der Erstellung von Statistiken unglücklich, bemerkt beispielsweise der Kanton Aargau.
Auch die Konferenz der Städtischen Sicherheitsdirektorinnen und -direktoren würde es begrüssen, wenn die neuen Bestimmungen frühestens per 1. Januar 2017 in Kraft gesetzt würden.
Ärzte erhoffen sich Entlastung
Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) begrüsst die Einführung der beweissicheren Atem-Alkoholkontrolle auch im Hinblick auf den sich verstärkenden Ärztemangel. Es werde zwar auch in Zukunft Blutproben geben. Doch sollte für die Medizin mit einer willkommenen Entlastung gerechnet werden können.
Der Touring-Club der Schweiz (TCS) spricht sich dafür aus, dass die heute zum Einsatz gelangenden Atemluftalkoholtestgeräte nicht mehr zugelassen werden, höchstens noch im Sinne eines Vortestes. Im Fall eines positiven Ergebnisses sei unbedingt eine Bestätigung durch ein beweissicherndes Atemalkoholmessgerät oder aber eine Blutprobe notwendig – vor allem wenn es darum gehe, ein Vergehen strafrechtlich oder administrativ zu sanktionieren.
Das vorgeschlagene System stelle eine Schweizer Eigenheit dar, bemerkt der TCS. Die Länder, welche die Atemalkoholmessgeräte eingeführt hätten, würden die Resultate dieser Apparate nur als Beweis für die Erhebung der Alkoholmenge in der Atemluft benutzen.
Blutprobe nur noch in Ausnahmefällen
Die Schweizerische Gesellschaft für Rechtsmedizin hatte bereits früher die Beweiskraft der Atem-Alkoholmessgeräte angezweifelt. Sie verzichtete auf eine Stellungnahme.
Die vom Parlament im Rahmen von «Via sicura» beschlossene beweissichere Atem-Alkoholprobe soll im Strassenverkehr Anfang Juli 2016 eingeführt werden. Eine Blutprobe soll nur noch bei Verdacht auf Betäubungsmittelkonsum, auf Verlangen der Betroffenen oder in Ausnahmefällen wie etwa bei einer Erkrankung der Atemwege nötig werden.
Mit der Umstellung wird der Wert von den Geräten nicht mehr in eine Blutalkoholkonzentration umgerechnet, sondern in Milligramm Ethanol pro Liter Atemluft angezeigt.