Die EU vertagt den Entscheid über den künftigen Einsatz von Glyphosat erneut. Da das Unkrautgift im Verdacht steht, Krebs zu erregen, ist ein Streit über dessen weitere Zulassung entbrannt. Die aktuelle Zulassung gilt nur noch bis zum 30. Juni.
Im Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel kam am Donnerstag in Brüssel nicht die nötige Mehrheit für oder gegen die Neuzulassung des Herbizids zustande, wie EU-Diplomaten und die EU-Kommission bestätigten.
Dass es bisher keine Mehrheit für oder gegen die Neuzulassung gibt, liegt auch an Deutschland. Die grosse Koalition ist sich in der Frage nicht einig. Während die SPD-Minister gegen die erneute Genehmigung sind, sind die Unionsminister dafür.
Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Die Wissenschaft ist in dieser Frage gespalten, Umweltschützer sind gegen das Mittel. In der Landwirtschaft und im Gartenbau wird Glyphosat vor der Aussaat zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. In Deutschland beispielsweise kommt es auf etwa 40 Prozent der Felder zum Einsatz.
EU-Diplomaten berichteten, insgesamt seien 19 Vertreter für die Neuzulassung gewesen. Frankreich und Italien sprachen sich demnach dagegen aus. Sieben Staaten, darunter Deutschland, hätten sich in einer formellen Abstimmung enthalten.
Drei Möglichkeiten
Die EU-Kommission, die das Treffen leitete, hat nun drei Möglichkeiten vorgeschlagen, wie in Brüssel zu hören war. Eigentlich müsste die EU-Behörde entscheiden, wenn die Staaten sich nicht einig werden. Sie könnte aber auch einfach nichts tun – damit liefe die geltende Zulassung Ende Juni automatisch aus. Für den Verkauf aktueller Bestände würde noch eine Übergangsfrist gelten.
Als dritte Option hat die Behörde einem Diplomaten zufolge vorgeschlagen, die geltende Zulassung bis Ende des Jahres zu verlängern, um mehr Zeit für eine Entscheidung zu gewinnen. Dies ist bereits einmal geschehen – eigentlich wäre die Zulassung bereits Ende 2015 ausgelaufen.
Den Angaben zufolge sollen die EU-Staaten bis Dienstagabend zu einer erneuten Verlängerung Stellung beziehen. Für diesen Beschluss wäre allerdings eine qualifizierte Mehrheit nötig.
Auf dem Markt für Glyphosat deutet sich derweil eine wichtige Übernahme an: Der deutsche Chemiekonzern Bayer will sein Agrargeschäft mit dem Kauf des amerikanischen Saatgutkonzerns Monsanto stärken.
Monsanto stellt neben gentechnisch veränderten Produkten auch den weltweit meistgenutzten Unkrautvernichter «Roundup» her, der Glyphosat enthält. Bayer kündigte die Absicht zur Übernahme am Donnerstagmorgen an, danach gingen die Aktien des Leverkusener Unternehmens auf Talfahrt.
Schweiz wäre indirekt betroffen
Glyphosat ist das weltweit am meisten verkaufte Pestizid und wird sowohl in der Landwirtschaft als auch in privaten Gärten sehr häufig verwendet. In der Schweiz werden laut der Stiftung für Konsumentenschutz jährlich 300 Tonnen davon versprüht.
Direkt habe ein Entscheid in der EU auf die Schweiz keine Auswirkungen, sagte Eva Reinhard, Vizedirektorin des Bundesamtes für Landwirtschaft, am Donnerstag gegenüber Radio SRF. Nach rechtlichen Vorgaben dürfe die Schweiz einen Entscheid der EU nicht einfach autonom nachvollziehen.
Indirekt habe ein Entscheid aber sicher Auswirkungen, «denn wir sind rechtlich verpflichtet, laufend neue Erkenntnisse in unsere Zulassungsentscheide aufzunehmen», sagte Reinhard. «Wenn die EU einen solch entscheidenden Entschluss fasst, dann gehen wir davon aus, dass neue Daten und Argumente vorliegen. Diese müssen wir prüfen und entsprechend handeln, falls wir das für nötig erachten.»
Sollte sich die EU gegen eine erneute Zulassung von Glyphosat aussprechen, dann bestünde die Möglichkeit eines Verbots des Unkrautvernichters in der Schweiz, erklärte die Vizedirektorin. «Über dessen Auswirkungen auf die Schweizer Landwirtschaft kann ich nur spekulieren.»