Sechs Jahre nach der letzten Produktion wird im Sommer 2013 vor der Einsiedler Klosterkirche wieder Welttheater gespielt. Diesmal lassen Autor Tim Krohn und Regisseur Beat Fäh Calderóns Figuren durch die Neuzeit taumeln – auf der Suche nach dem erfüllten Leben.
Bis 1995 stützte man sich in Einsiedeln auf die Eichendorffsche Fassung des barocken Dramas von Calderón de la Barca. Dann gab die Welttheatergesellschaft dem Autoren Thomas Hürlimann den Auftrag, ein neues, aktuelles Stück auf der Basis von Calderón zu schreiben. Gemeinsam mit Volker Hesse inszenierte Hürlimann auch 2007 das Welttheater.
Zur Tradition der Einsiedler Spiele gehört, dass die künstlerische Leitung immer wieder andern Persönlichkeiten anvertraut wird. So wurden für die Aufführungen im Sommer 2013 Regisseur Beat Fäh, der die Stiftschule Einsiedeln besuchte, und Theater- und Romanautor Tim Krohn verpflichtet.
Sie beide sprachen am Donnerstag vor den Medien in Einsiedeln von einer sehr bereichernden Erfahrung und lobten die Einsiedler als «unglaublich begeisterungsfähiges Volk».
Zu viele Möglichkeiten
Auch wenn Krohn seine Figuren – verwirrt und leidgeplagt – durchs Leben der Neuzeit taumeln lässt: Ähneln tun sie noch immer jenen von Calderón. So lässt er den Politiker, den Reichen, das schöne Paar, den Bauer, den Penner, das ungeborene Kind sowie weise und weniger weise Menschen auf dem grossen Klosterplatz auftreten.
Mit seiner Inszenierung führt das Duo Krohn/Fäh die Sorgen der modernen Menschen vor Augen, die befürchten, aus ihrem Leben nicht genug gemacht zu haben. Weil sie mehr Möglichkeiten haben, als sie nutzen können. Sie stehen stets vor dem Dilemma: Haben wir die richtige Wahl getroffen, oder soeben unser Glück verspielt?
Krohn und Fäh stellen viele Fragen. Antworten liefern sie keine. «Viele Menschen kommen ja im realen Leben auch auf der Suche nach Antworten nach Einsiedeln», sagte Krohn. Sie wollten Denkanstösse vermitteln, «Dinge wieder denkbar machen». Beispielsweise: Ist ein behindertes Kind ein Fluch oder ein Segen oder einfach ein Kind? Oder: Braucht es einen gesunden Körper um glücklich zu sein?
Denn im Stück kündigen Ärzte an, die Medizin zu revolutionieren. Das Erbgut des Menschen wird manipulierbar. Die neue Verheissung führt zu grossen Hoffnungen, der Handel mit perfekten Genen explodiert. Mit Sorge verfolgen die Geistlichen diese Entwicklung: Sie sehen ihren Einfluss schwinden. Das Heil wird nicht mehr bei ihnen gesucht, sondern bei der Medizin.
Die Szenerie des Freilichtspiels bildet wiederum die Barockfassade des Klosterstifts. Im Hinblick auf die bevorstehende Renovation des Klosterplatzes im Jahr 2014 wird dieser für die Aufführungen in eine grosse Baustelle verwandelt – mit Betonmischer und Kranen. Das Stück soll sich nicht nur inhaltlich um Optimierung drehen, auch optisch.
500 Menschen packen an
Es ist die 16. Inszenierung auf der Basis von Calderóns «Welttheater» seit 1924. Die Proben laufen seit Mitte Februar. Rund 500 Leute beteiligen sich an diesem Theaterereignis, mehr als 300 auf der Bühne. Es sind Frauen, Männer, Jugendliche, Kinder, auch behinderte Menschen, die aus Einsiedeln und der näheren Umgebung kommen.
Insgesamt wird während acht Monaten geprobt. Vom 21. Juni bis am 7. September 2013 sind 41 Aufführungen geplant. Die Zuschauertribüne umfasst 2682 Plätze. Das Budget beträgt rund 4 Millionen Franken. Die Welttheatergesellschaft geht davon aus, dass mit 51’000 Besuchern das Budget ausgeglichen abschliesst.