Entsandte Arbeiter: Höhere Bussen sollen Tessiner Sorgen lindern

Ausländische Auftragsarbeiter sorgen im Tessin für Konfliktstoff. Bundesrat Schneider-Ammann und Tessiner Arbeitsmarktkontrolleure diskutierten deshalb in Gordola TI über flankierende Massnahmen.

Autos passieren in Chiasso den Grenzübergang nach Italien (Bild: sda)

Ausländische Auftragsarbeiter sorgen im Tessin für Konfliktstoff. Bundesrat Schneider-Ammann und Tessiner Arbeitsmarktkontrolleure diskutierten deshalb in Gordola TI über flankierende Massnahmen.

Staatsrat Beltraminelli warnte: Mit der Eröffnung der Alptransit-Strecke werden italienische Grenzgänger künftig auch in Zürich arbeiten.

Johann Schneider-Ammann unterstrich am Donnerstag vor Vertretern der Tessiner Arbeitsmarktüberwachung und vor dem Tessiner Staatsrat Paolo Beltraminelli (CVP) die besondere Situation des Südkantons. Die Lombardei verfüge über viele qualifizierte Arbeitskräfte, die aufgrund der aktuellen Krise auch auf den Schweizer Arbeitsmarkt drängen – nicht nur als Grenzgänger.

Die Veranstaltung in Gordola steht in einer Reihe mit zwei Schulungsmassnahmen, die bereits in der Deutschschweiz durchgeführt wurden – in der Romandie steht der Lehrgang noch an. Ziel ist es, die von Bundesrat und Parlament 2012 nachgebesserte Variante der flankierenden Massnahmen in allen Landesteilen einheitlich umzusetzen.

Das grösste Problem ist laut dem Vorsteher des Wirtschafts-, Forschungs- und Bildungsdepartements die Scheinselbstständigkeit italienischer Arbeiter. Diese unterwanderten die Arbeitsmarktkontrollen, welche nur bei Angestellten greifen.

Der Bundesrat setzt deshalb im Kampf gegen Verstösse gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsvorschriften auf die Stärkung der flankierenden Massnahmen, wie Schneider-Ammann im Anschluss an das Treffen vor Medienvertretern sagte. Noch bis zum 19. Dezember sind die bundesrätlichen Vorschläge in der Vernehmlassung. Vorgesehen ist unter anderem eine Erhöhung der Bussen auf maximal 30’000 Franken. Heute liegt die Obergrenze für Verstösse gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen bei 5000 Franken.

Tessin hinter Genf und Zürich

Der Tessiner Staatsrat Paolo Beltraminelli wehrte sich trotz der akuten Probleme auf dem Tessiner Arbeitsmarkt dagegen, dass der Kanton als «Sorgenkind» oder «Sonderfall» abgestempelt wird: Mit Eröffnung der Alptransit-Strecke 2016 könnten Italiener künftig auch in Zürich arbeiten und am Wochenende in zweieinhalb Stunden nach Mailand zurückkehren. «Dann wird auch der Kanton Zürich vor Probleme gestellt werden, mit denen das Tessin schon heute fertig werden muss», warnte der CVP-Politiker.

Eine Entlastung für das Tessin könne das aber nicht bedeuten. In Anbetracht der noch ausstehenden Umsetzung des Artikels 121a in der Bundesverfassung – zur Steuerung der Zuwanderung – erwarte er in den kommenden drei Jahren einen noch stärkeren Druck auf den Tessiner Arbeitsmarkt: «Diejenigen italienischen Arbeiter im Grenzgebiet, die noch unentschieden waren, ob sie dauerhaft oder für Auftragsarbeiten in die Schweiz gehen wollen, werden den Weg zu uns suchen, bevor sich mit einer strengeren Regelung die Türen schliessen könnten.»

20’418 ausländische Arbeitnehmer waren im Zeitraum zwischen Januar und September temporär im Tessin beschäftigt, um als Subunternehmer für einen Schweizer Betrieb oder als entsendetes Personal für einen italienischen Arbeitgeber Aufträge zu erledigen.

Dies teilte das Statistikbüro des Kantons Tessin am Donnerstag auf seiner Homepage mit. Das sind rund 14’000 mehr Beschäftigte als noch 2005. Damit liegt das Tessin schweizweit in absoluten Zahlen an dritter Stelle hinter den Kantonen Genf und Zürich.

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