Wenige Stunden nach dem Rücktritt von drei Ministern wegen eines Korruptionsskandals in der Türkei hat Regierungschef Erdogan sein Kabinett umgebildet. Wie Erdogan am Mittwochabend nach einem Treffen mit Präsident Gül mitteilte, wurden zehn neue Minister ernannt.
Neben dem Wirtschafts-, dem Innen- und dem Umweltminister, die zuvor zurückgetreten waren, wurden noch sieben weitere Minister ausgetauscht, darunter der Minister für Europa-Angelegenheiten, Egemen Bagis.
Bagis war in Medienberichten ebenfalls beschuldigt worden, in die Affäre um die staatliche Halkbank verwickelt zu sein. Festgenommen oder angeklagt wurde er allerdings nicht. Seinen Posten soll nun der bisherige Abgeordnete Mevlut Cavusoglu übernehmen.
Am Mittwoch hatten Wirtschaftsminister Zafer Caglayan, Innenminister Muarrem Güler und Umweltminister Erdogan Bayraktar ihren Rücktritt bekanntgegeben. Die Söhne der drei Minister waren im Zuge der Ermittlungen zu der Korruptionsaffäre ins Visier der Justiz geraten.
24 Verdächtige festgenommen
Während die Söhne von Caglayan und Güler in Untersuchungshaft genommen wurden, wurde der Sohn von Umweltminister Bayraktar nach einer Befragung wieder laufen gelassen. Insgesamt wurden in der Affäre um die Halkbank 24 Verdächtige festgenommen, darunter der Bankchef Süleyman Aslan.
Bayraktar sagte im Sender ntv, er sei zum Rücktritt gedrängt worden, und forderte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan dazu auf, sein Amt ebenfalls niederzulegen.
Bereits vor Tagen war in türkischen Medien über eine anstehende Kabinettsumbildung berichtet worden. Am Dienstag hatte auch Präsident Abdullah Gül angekündigt, dass Erdogan bei seiner Rückkehr von einer Reise nach Pakistan sein Kabinett umbilden werde.
Schlag gegen die Polizei
Nach Grossrazzien und den Festnahmen Dutzender Verdächtiger am Dienstag vergangener Woche hatte die Regierung zahlreiche ranghohe Polizisten des Amtes entheben lassen, darunter den Polizeichef von Istanbul.
Die Erdogan-kritische Zeitung «Today’s Zaman» berichtete am Mittwoch, in Istanbul seien 400 weitere mit den Ermittlungen befasste Polizisten versetzt worden. Damit seien seit den Grossrazzien landesweit mehr als 500 Polizisten ihrer Posten enthoben worden.
Die Regierung hatte ausserdem verfügt, dass Vorgesetzte künftig über Ermittlungen informiert werden müssen. Die Regierung hatte von den Korruptionsermittlungen bis zuletzt nichts gewusst. Journalisten wurde inzwischen der Zutritt zu Polizeidienststellen untersagt. Regierungskritische Medien werteten die Versetzungen als Versuch der Regierung, die Ermittlungen zu behindern.
Machtkampf im Hintergrund
Hinter der Affäre steckt offenbar ein Machtkampf zwischen Erdogan und den Anhängern des einflussreichen islamischen Predigers Fetullah Gülen, die besonders zahlreich in Justiz und Polizei vertreten sind.
Den Festgenommenen wird vorgeworfen, einem kriminellen Ring angehört zu haben, der die Bestechung von Politikern organisiert haben soll, um illegale Goldgeschäfte der Halkbank mit dem Iran zu vertuschen. Die Affäre reicht weit in die politische und wirtschaftliche Elite hinein.
So sind unter den Verdächtigen der Bürgermeister des islamisch-konservativen Istanbuler Stadtteils Fatih, Mustafa Demir, und der bekannte Bauunternehmer Ali Agaoglu.
Mitauslöser des Konflikts waren Pläne der Regierung, ein Netzwerk von Schulen der Gülen-Bewegung zu schliessen. Die landesweite Bewegung hat bisher Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) bei den Wahlen stets unterstützt.