Erdogans Twitter-Verbot sorgt für Proteststurm in der Türkei

Die durch Korruptionsvorwürfe unter Druck geratene türkische Regierung hat den Kurzbotschaftendienst Twitter im Land verbieten lassen. Die Nachricht von der Sperrung sorgte innerhalb und ausserhalb der Türkei für einen Proteststurm. Twitter hat in der Türkei rund zehn Millionen Nutzer.

Mit dem Twitter-Verbot schiesst Erdogan sein nächstes Eigentor (Bild: sda)

Die durch Korruptionsvorwürfe unter Druck geratene türkische Regierung hat den Kurzbotschaftendienst Twitter im Land verbieten lassen. Die Nachricht von der Sperrung sorgte innerhalb und ausserhalb der Türkei für einen Proteststurm. Twitter hat in der Türkei rund zehn Millionen Nutzer.

Die Sperrung ist laut der türkischen Internetbehörde BTK eine «vorbeugende Massnahme». Die BTK teilte mit, die in der Nacht zum Freitag erlassene landesweite Zugangssperre stütze sich auf mehrere Gerichtsurteile.

Türkische Gerichte hätten aufgrund von Beschwerden die Sperrung von Twitter-Inhalten verlangt, mit denen die Persönlichkeitsrechte von Bürgern verletzt worden seien. Die Inhalte seien aber nicht gelöscht worden, so dass nur die Sperrung der gesamten Plattform übrig geblieben sei. Twitter werde wieder freigegeben, sobald die beanstandeten Inhalte gelöscht seien.

Die Nachrichtenagentur Anadolu meldete, eines dieser Gerichtsurteile beziehe sich auf eine Frau im nordtürkischen Samsun, die sich gegen ein gefälschtes, in ihrem Namen eröffnetes Twitter-Konto zur Wehr gesetzt habe. In diesem Konto seien pornografische Bilder erschienen.

Der Anwalt der Frau erklärte laut Anadolu, er habe die Beseitigung des gefälschten Kontos verlangt, aber keineswegs die Sperrung von Twitter insgesamt.

Wichtiges Medium für Opposition

Bei Twitter werden seit Wochen Korruptionsvorwürfe gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und die Regierung veröffentlicht. Die Botschaften sind mit mitgeschnittenen Telefonaten verlinkt, in denen Erdogan und andere Regierungsmitglieder zu hören sind.

Dabei geht es unter anderem um Schmiergeldzahlungen. Erdogan, der vor Gemeindewahlen am 30. März steht, sieht ein Komplott von Anhängern des islamischen Predigers Fethullah Gülen. Dieser bestreitet die Vorwürfe.

Erdogan hatte die Twitter-Sperrung am Donnerstag bei einer Wahlkampfrede angekündigt. Internationale Reaktionen interessierten ihn nicht, sagte er.

Gül nennt Vorgehen «inakzeptabel»

Tausende Türken setzten sich über das Verbot hinweg, darunter auch Präsident Abdullah Gül, der den Bann in einer Twitter-Botschaft „inakzeptabel“ nannte. Technisch sei es ohnehin unmöglich, Twitter gänzlich zu verbieten. Er hoffe, das Verbot bleibe nicht lange in Kraft.

Nach einem Bericht der Zeitung «Hürriyet» gelang es Tausenden Twitter-Nutzern am Freitag ähnlich wie Gül, das Verbot zu umgehen. In den ersten zehn Stunden des Verbots wurden demnach rund 500’000 Botschaften gezählt, die innerhalb der Türkei abgeschickt wurden.

Twitter selbst verbreitete auf dem Account @policy Tipps, wie türkische Nutzer trotz des Verbots per SMS an dem Kurznachrichtendienst teilhaben könnten.

EU besorgt

Erdogan erntete auch aus dem Ausland viel Kritik. Die Türkei verhandelt bereits seit 2005 über einen Beitritt zur EU. Die Europäische Union bemängelt aber Demokratie-Defizite.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), deren Vorsitz die Schweiz in diesem Jahr innehat, rügte das Abschalten von Twitter ebenfalls scharf.


» SRF News hat Reaktionen auf das Twitter-Verbot in der Türkei zusammengestellt:



Nächster Artikel