Niederländische Ermittler haben den Verdacht erhärtet, dass die im Juli in der Ostukraine abgestürzte Passagiermaschine abgeschossen worden ist: «Es gibt keine Anzeichen, dass ein technischer Fehler oder Handlungen der Crew den Absturz von Flug MH17 verursacht haben.»
Dies heisst es in einem am Dienstag veröffentlichten Zwischenbericht der Untersuchungsbehörde in Den Haag. Eine grosse Zahl schnell fliegender Teile habe den Rumpf der Boeing 777 durchsiebt. Die Maschine der Malaysia Airlines sei daraufhin auseinandergebrochen.
Die Flugschreiber, der Funkverkehr und alle Daten der Verkehrsleitung belegen dem Bericht zufolge einen normalen Flugverlauf. Es gab auch kein Notsignal der Piloten. «Alles weist auf ein abruptes Ende hin», heisst es.
Zwar beantwortet der Bericht die Frage nach einem Abschuss nicht, auch werden die «Objekte» nicht näher identifiziert, die die Maschine durchlöcherten. Die Hinweise deuteten aber auf eine «externe Ursache».
Malaysias Ministerpräsident Najib Razak sagte, die Erkenntnisse legten den «starken Verdacht» nahe, dass das Flugzeug mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden sei. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte betonte indes, für Schuldzuweisungen sei es noch zu früh.
Rakete vermutet
Bei dem Absturz am 17. Juli in einem von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiet waren 298 Menschen ums Leben gekommen, die meisten davon Niederländer. In dem Zwischenbericht wird eine Rakete nicht ausdrücklich erwähnt.
Die Angaben deuten aber nach Einschätzung des Verteidigungsexperten Tim Ripley auf den Einsatz eines Sprengkopfes hin, der in der Luft explodiert. Anschliessend hätten Splitter die Maschine durchschlagen.
Mit solchen Sprengköpfen können diverse Raketentypen bestückt werden, unter anderem solche, die mit dem System BUK abgefeuert werden. Dieses wird in Russland hergestellt.
Nach Auffassung der Regierung in Kiew und mehrerer westlicher Staaten haben die Rebellen in der Ostukraine eine BUK-Batterie aus Russland erhalten. Die Reichweite der Raketen würde ausreichen, um ein in grosser Höhe fliegendes Objekt zu treffen.
Moskau und Rebellen dementieren
Die Regierung in Moskau hat mehrfach bekräftigt, keine Waffen an die Rebellen in der Ukraine geliefert zu haben.
Auch Separatisten-Chef Alexander Sachartschenko wies die Verdächtigung am Dienstag zurück. «Wir verfügen einfach nicht über die technische Ausrüstung, die in der Lage wäre, eine Boeing wie dieses malaysische Flugzeug abzuschiessen», zitierte ihn die russische Nachrichtenagentur Interfax.
Der Bericht der niederländischen Untersuchungsbehörde stütze die These, dass Flug MH17 mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden sei, sagte der Luftfahrtexperte Joris Melkert von der Technischen Universität in Delft. Anders sei es nicht möglich, so schnell fliegende Teile in zehn Kilometer Höhe zu befördern.
«So, wie ich das sehe, kann das nur eine Rakete.» Andere Theorien, wie etwa den Abschuss durch ein anderes Flugzeug, hält er für unwahrscheinlich. Laut dem Bericht der Ermittler waren in der Nähe nur drei andere Flugzeuge – allesamt zivile Maschinen.
Keine Untersuchungen vor Ort
Die Ermittler betonten, dass der Bericht vorläufig sei. Die Erkenntnisse beruhen auf Auswertungen des Flugdatenschreibers und des Cockpit-Stimmrecorders, Radarinformationen, Satellitenaufnahmen, Fotografien sowie der Untersuchung einzelner Trümmerteile, die die malaysischen Behörden den Ermittlern übergaben.
Die niederländischen Experten machten sich allerdings nicht direkt vor Ort ein Bild der Lage, da sie wegen der Kämpfe zwischen der ukrainischen Armee und den Separatisten die Absturzstelle nicht besichtigen konnten. Der Abschlussbericht könnte nach Angaben der Ermittler innerhalb eines Jahres vorliegen.
Eine am Freitag zwischen Separatisten und Kiew vereinbarte Waffenruhe könnte Inspektionen vor Ort ermöglichen. Auch die Bergung der Leichen wurde noch nicht abgeschlossen. Bei 193 der 298 Absturzopfer handelte es sich um Niederländer, weshalb Den Haag die Ermittlungen leitet.