Der Satellit «LISA Pathfinder» soll Technologien testen, mit denen die ESA ab 2034 ein Gravitationswellen-Observatorium im All betreiben will. Die ersten Ergebnisse, an denen auch Forscher der Universität und ETH Zürich beteiligt sind, übertreffen die Erwartungen.
Mit der Laser Interferometer Space Antenna (LISA) will die europäische Raumfahrtagentur ESA dereinst auf Gravitationswellen lauschen, die beispielsweise vom Verschmelzen extrem massereicher Schwarzer Löcher stammen. Seit Dezember letzten Jahres befindet sich der LISA Pathfinder-Satellit im All und erlaubt den Forschenden und Ingenieuren, die Messtechnologie vorab auf Herz und Nieren zu prüfen.
Die Tests und Experimente begannen Anfang März und lieferten die ersten Ergebnisse, die am Dienstag im Fachjournal «Physical Review Letters» erscheinen. «Die Messungen sind sensationell, unsere Erwartungen wurden übertroffen», liess sich Philippe Jetzer von der Uni Zürich in einer Mitteilung der Hochschule zitieren. Der Physiker ist Mitglied des wissenschaftlichen Komitees von LISA Pathfinder.
Die Tests der Messtechnologie werden mit zwei würfelförmigen Testmassen aus einer Gold-Platin-Legierung durchgeführt, die sich im freien Fall befinden: Sie schweben berührungsfrei im Innenraum des Satelliten und sollen durch keine äusseren Kräfte gestört werden. Der Satellit befindet sich aus diesem Grund in etwa 1,5 Millionen Kilometern Entfernung von der Erde an der Position, wo sich die Gravitation der Erde und der Sonne aufheben.
Rekord im freien Fall
Tatsächlich erreichte LISA Pathfinder in Sachen freier Fall einen Rekord: Nie zuvor ist ein von Menschen erzeugtes Objekt dem ungestörten freien Fall so nahe gekommen, wie die American Physical Society schrieb.
Das Team um Domenico Giardini von der ETH Zürich entwickelte das Mess- und Steuersystem des Satelliten, das die Position der Würfel mittels Laser bestimmt und den Satelliten entsprechend steuert, damit sich die Testmassen frei von Störungen allein unter Einfluss der Schwerkraft bewegen.
In einem von der ETH am Dienstag publizierten Interview zeigte sich Giardini hoch zufrieden mit dem Abschneiden des Systems: «Die beiden Massewürfel bewegen sich zueinander nur um einen Pikometer.» Das sei unvorstellbar wenig. Ein Helium-Atom messe rund 32 Pikometer im Durchmesser. «Auf der Erde mit normalen Messinstrumenten lassen sich solch winzige Positionsverschiebungen nicht mehr nachweisen.»
Wegbereiter für LISA
Diese hohe Auflösung ist extrem vielversprechend. Denn LISA Pathfinder soll den Weg bereiten für LISA, das Gravitationswellen-Observatorium, das voraussichtlich 2034 starten soll. Dann sollen drei Satelliten mit je zwei Würfeln an Bord in eine Sonnenumlaufbahn gebracht werden und mehrere Millionen Kilometer hinter der Erde herziehen.
Die drei Satelliten sollen in Dreiecks-Formation je ein bis fünf Millionen Kilometer Abstand zueinander haben. Je ein Würfel wird mit einem Würfel im benachbarten Satelliten «in Kontakt stehen»: Ein Laserstrahl wird laufend zwischen ihnen hin und her gespiegelt.
Läuft eine Gravitationswelle durch diese Anordnung, wird der Raum zwischen den Würfeln gestaucht und gedehnt: «Sie können sich das wie zwei Punkte auf einer Wasserfläche vorstellen», erklärte Jetzer der Nachrichtenagentur sda. «Ist die Oberfläche ruhig, ist die kürzeste Verbindung zwischen den Punkten eine Gerade. Werfe ich aber einen Stein ins Wasser, wird der Weg entlang der gestörten Wasseroberfläche zwischen den beiden Punkten länger.»
Verschiebungen im Laserstrahl
Durch diese Distanzänderung kommt es zu einer Interferenz der hin und her geschickten Laserstrahlen, was sich mit einem Interferometer messen lässt. Durch die riesigen Abstände zwischen den Satelliten werden sich Gravitationswellen mit deutlich tieferen Frequenzen nachweisen lassen als dies mit irdischen Observatorien möglich ist.
Das wohl bekannteste davon, LIGO, hatte im Februar für Schlagzeilen gesorgt. Mit dem «Laser Interferometer Gravitationswellen Observatorium» in den USA war der erste direkte Nachweis der von Albert Einstein vorhergesagten Kräuselungen der Raumzeit gelungen. Experten verglichen die Fähigkeit, Gravitationswellen zu messen, mit einem neuen Sinnesorgan, um das Universum zu erforschen.
Auf tiefere Frequenzen lauschen
Die winzigen Wellen in der einheitlichen, vierdimensionalen Struktur, die Raum und Zeit bilden, entstehen bei extrem energiereichen kosmischen Ereignissen wie zum Beispiel Supernovae. LIGO hatte Gravitationswellen aufgefangen, die vom Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher ausging. Damit wurden auch erstmals Schwarze Löcher direkt nachgewiesen.
Mit LISA möchten die Wissenschaftler jedoch auf einen viel tieferen Frequenzbereich solcher Wellen «lauschen». Diese tieffrequenten Wellen gehen zum Beispiel vom Verschmelzen extrem massereicher Schwarzer Löcher aus, die sich im Zentrum von Galaxien befinden und mehrere Millionen Sonnenmassen aufweisen. Die von LIGO gemessenen Schwarzen Löcher besassen rund 30 Sonnenmassen und erzeugten Wellen mit höherer Frequenz von 35 bis 250 Hertz.
Präzision weiter steigern
Die Präzision der Messtechnologie an Bord von LISA Pathfinder begeistert die Forschenden: Die Messgenauigkeit sei sogar um Grössenordnungen höher, als es für die Messungen von Gravitationswellen im Frequenzbereich von einem Zehntel bis einem Hundertstel Hertz nötig sein wird, sagte Jetzer.
Mit weiteren Verbesserungen werde es möglich sein, die Präzision weiter zu erhöhen, so der Physiker weiter. Angepeilt seien Messwerte bei Frequenzen bis zu einem Zehntausendstel Hertz. Solch tiefe Frequenzen lassen sich nur im All messen, da ein entsprechend grosses Observatorium nur dort gebaut werden kann.
In den nächsten Monaten sollen weitere Tests und Experimente mit LISA Pathfinder durchgeführt und das Verständnis des Instruments verbessert werden.