Gross waren die Hoffnungen auf etwas Entspannung in der Ukraine-Krise. Doch die Gesprächsdiplomatie beim Europa-Asien-Gipfel (ASEM) in Mailand am Freitag brachte trotz einzelner Fortschritte keinen grundlegenden Durchbruch.
Nach einem Treffen europäischer Spitzenpolitiker mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin und seinem ukrainischen Amtskollegen Petro Poroschenko in Mailand kritisierte der Kreml die «absolut voreingenommene» Haltung einiger westlicher Regierungschefs. Sie hätten keinen grossen Willen gezeigt, «die Lage in der Ukraine objektiv zu erörtern».
Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich enttäuscht. Hauptstreitpunkt ist nach Angaben Merkels und des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi, dass auch die prorussischen Separatisten in der Ostukraine ihre geplanten Wahlen nach ukrainischem Recht durchführen müssen. «Hier gibt es bisher keinerlei Durchbruch», sagte Merkel.
In der Ukraine ist für Sonntag nächster Woche die Parlamentswahl angesetzt, im November sollen Kommunalwahlen folgen. Die Separatisten haben aber einen Boykott der Parlamentswahl angekündigt und planen eine eigene Abstimmung. Die EU fürchtet, dass in diesem Fall die territoriale Integrität der Ukraine in Gefahr gerät.
Schwierige Umsetzung des Friedensplans
Merkel sagte weiter, Putin und Poroschenko hätten sich zwar zum Minsker Friedensplan für die Ostukraine von Anfang September bekannt, der unter anderem einen Waffenstillstand vorsieht. «Wenn es aber um die Umsetzung der einzelnen Punkte geht, haben wir weiterhin grosse Divergenzen.»
Zudem gebe es sehr unterschiedliche Auffassungen über die Entstehungsgeschichte des Konfliktes. Der französische Präsident François Hollande sagte, die Ukraine-Krise belaste das Land selbst, Russland, Europa und die ganze Welt.
Putin und Poroschenko kamen am Treffen auch erstmals seit sieben Wochen wieder zu bilateralen Verhandlungen über die Ostukraine zusammen. Das Gespräch dauerte laut russischen Agenturen eine knappe Stunde.
Hin und Her im Gas-Streit
Laut Putin verständigte man sich über Bedingungen für russische Gas-Lieferungen «zumindest im Winter». Poroschenko hingegen äusserte sich negativ: «Wir konnten keine praktischen Ergebnisse in der Gasfrage erreichen.»
Am Nachmittag hatten Merkel und Hollande bereits im kleinen Kreis mit Putin und dem ukrainischen Präsidenten über den Gas-Streit gesprochen. Russland hatte wegen unbezahlter Rechnungen und eines Streits über den künftigen Preis im Juni den Gashahn für das Nachbarland zugedreht.
Der im Konflikt vermittelnde EU-Energiekommissar Günther Oettinger kommt am Dienstag in Brüssel mit den Energieministern der beiden Länder zusammen in der Hoffnung, eine Einigung zu erreichen.
Gespräche über Drohnen
Leichte Fortschritte gab es Merkel zufolge auch im Streit um einen Einsatz unbemannter Überwachungsdrohnen in der Ukraine. Moskau sei «gegebenenfalls auch bereit, sich an solchen Missionen zu beteiligen».
Es gehe weniger um die russisch-ukrainische Grenze, sondern um die Frage der Markierungslinie der Gebiete Donezk und Lugansk, in denen Wahlen stattfinden sollen. Hier gebe es Gespräche mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
NATO sieht keinen Truppenabzug
Für Ernüchterung sorgte ein Lagebericht der NATO. Das westliche Verteidigungsbündnis hat nach eigenen Angaben bislang keine Anzeichen für den von Putin angekündigten Abzug russischer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine.
Moskaus Versprechen wenige Tage vor dem Mailänder Treffen hatte Hoffnungen auf Entspannung in der schwersten Krise in Europa seit dem Kalten Krieg genährt. Der Westen und die Führung in Kiew werfen Moskau vor, die prorussischen Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen. Als Konsequenz wurden umfangreiche Wirtschaftssanktionen gegen Moskau verhängt.