Der Flüchtlingspakt mit Ankara ist nach Einschätzung Brüssels trotz aller Probleme ein Erfolg. Die Zahl der aus der Türkei ankommenden Migranten sei von mehr als 1700 pro Tag auf durchschnittlich 85 pro Tag zurückgegangen, teilte die Brüsseler Behörde mit.
Der Flüchtlingspakt habe somit «zu konkreten positiven Ergebnisse geführt», sagte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos bei der Präsentation eines Zwischenberichts zur EU-Flüchtlingspolitik am Mittwoch in Brüssel. Die Zahlen zeigten zudem, dass man das Geschäftsmodell der Schleuser zerstören könne.
Das im März geschlossene Abkommen mit Ankara sieht vor, dass die EU alle Migranten, die über die Türkei nach Griechenland kommen und dort kein Asyl erhalten, zurückschicken kann. Dies brachte der EU von Linksparteien und Menschenrechtsaktivisten viel Kritik ein.
Für jeden Syrer, den die Türkei zurücknimmt, kann sie allerdings einen anderen Syrer auf legalem Weg in die EU schicken. Die EU hat sich bereit erklärt, über diesen sogenannten 1:1-Mechanismus bis zu 72’000 Syrer aufzunehmen.
Nach aktuellen Zahlen der EU-Kommission wurden bislang jedoch erst 578 Menschen wieder in die Türkei zurückgebracht. Grund dafür dürften Asyl-Abklärungen in Griechenland sein.
Umverteilung harzt
Ein weiteres wichtiges Element der EU-Flüchtlingspolitik ist das Umverteilungs- und Neuansiedlungssystem. Um Griechenland und Italien zu entlasten, hatten die EU-Staaten vor einem Jahr eine EU-interne Umverteilung von insgesamt 160’000 Flüchtlingen beschlossen. Avramopoulos äusserte sich erfreut, dass im laufenden September 1’202 Umsiedlungen verzeichnet wurden.
Aufs Ganze gesehen läuft aber die Umverteilung harzig. Bis anhin wurden nur gerade 5’651 Personen umverteilt – 4’455 aus Griechenland und 1’196 aus Italien. Die Schweiz, die sich freiwillig mit 1500 Flüchtlingen daran beteiligt, hat gemäss Brüssel bis jetzt 112 Menschen aus Italien aufgenommen.
Bei der Neuansiedlung – bei der Übernahmen von Flüchtlingen direkt aus einem Flüchtlingslager in einem Drittland – haben laut Bericht die EU-Staaten bisher 10’695 von vorgesehenen 22’504 Asylsuchenden aufgenommen. Die Schweiz hat bereits ihre im Rahmen des EU-Programms zugesagte Zahl von 519 Flüchtlinge übernommen.
Weitere 1’071 syrische Flüchtlinge seien zwischen Juni und heute im Rahmen des Flüchtlingspaktes aus der Türkei neu angesiedelt worden, heisst es im Bericht.
Athen muss weiter verbessern
Der Rückführung von Asylbewerbern nach Griechenland im Rahmen der Dublin-Regeln erteilte die EU-Kommission am Mittwoch vorerst eine Absage. Avramopoulos begründete dies damit, dass die Lage in Griechenland mit zehntausenden Flüchtlingen weiterhin äusserst angespannt sei.
Die Dublin-Regeln sehen vor, dass Flüchtlinge ihren Asylantrag grundsätzlich in dem Land stellen müssen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten.
Handlungsbedarf sieht Brüssel beim Zustand der Aufnahmeheime, dem Zugang zum Asylverfahren und bei besonders schutzbedürftigen Bewerbern. Brüssel will die Lage in Griechenland erneut «vor Jahresende» bewerten.
Trotz der noch bestehenden Baustellen sieht sich die EU-Kommission in der Flüchtlingskrise «besser gewappnet als bisher». «Europa wird sich nicht noch einmal überrumpeln lassen», zeigte sich Avramopoulos zuversichtlich.