EU-Kommissionspräsident Juncker warnt vor Einknicken vor Populisten

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Regierungen der EU-Mitgliedsländer aufgefordert, in der Flüchtlingsfrage nicht vor Populisten und Ausländerfeinden einzuknicken. Wer Populisten folge, werde am Ende selbst zum Populisten, warnte er.

«Wer vor Populisten einknickt, wird selbst zu einem»: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nimmt kein Blatt vor den Mund. (Bild: sda)

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Regierungen der EU-Mitgliedsländer aufgefordert, in der Flüchtlingsfrage nicht vor Populisten und Ausländerfeinden einzuknicken. Wer Populisten folge, werde am Ende selbst zum Populisten, warnte er.

«Ihr dürft Euch nicht durch populistische Gedanken blenden lassen, die in allen Ländern präsent sind», sagte Juncker in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch. Er forderte Standhaftigkeit gegenüber populistischen und fremdenfeindlichen Bewegungen.

Juncker zeigte sich enttäuscht darüber, dass sich die EU-Staaten nicht auf die Verteilung von 40’000 zumeist syrischen und eritreischen Flüchtlingen aus Italien und Griechenland hatten einigen können. Die EU-Justiz- und Innenminister hatten auf ihrem Gipfel am 20. Juli lediglich beschlossen, bis Oktober 32’250 Migranten auf die 28 Mitgliedsstaaten zu verteilen.

«Minister sind zum Handeln verpflichtet»

«Minister, anders als Bürger, sind zum Handeln verpflichtet. Wir haben Vorschläge gemacht, die weit reichten, aber angesichts des Ausmasses des Problems noch gemässigt waren», sagte Juncker.

«Wir haben ein verpflichtendes System zur Verteilung von Asylbewerbern und Menschen vorgeschlagen, die internationalen Schutz brauchen. Doch sind uns die Mitgliedsstaaten nicht gefolgt, so dass wir gezwungen waren, eine Einigung auf freiwilliger Basis zu suchen», beklagte Juncker.

Die EU-Kommission werde im Herbst einen neuen Anlauf zur Verteilung der Flüchtlinge unternehmen. «Ich will glauben, dass sie ehrgeizig reagieren werden», sagte er mit Blick auf die EU-Staaten. Andernfalls müsse die Kommission ihre Pläne überdenken.

Seit Jahresbeginn sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) rund 188’000 Flüchtlinge in Europa eingetroffen, die meisten davon in Italien und Griechenland. Die EU-Kommission werde im Herbst einen neuen Anlauf zur Verteilung der Flüchtlinge unternehmen, kündigte Juncker an.

Finanzielle Hilfe für Eurotunnel-Anrainer

Zur Flüchtlingskrise am Eurotunnel in Frankreich, wo seit Tagen hunderte Flüchtlinge versuchen, auf Züge nach Grossbritannien zu gelangen, sagte Juncker, «diese Situation stürzt mich in tiefste Verzweiflung». Die Kommission sei bereit, den beiden Ländern finanzielle Hilfe zu gewähren. Dies werde nicht das Problem lösen, könne aber «die Last erleichtern». Allerdings habe Brüssel bisher keine konkrete Anfrage erhalten.

Der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos besprach die Situation am Dienstag mit dem französischen Innenminister Bernard Cazeneuve und dessen britischer Kollegin Theresa May. Um mit den Herausforderungen durch die erhöhten Flüchtlingszahlen fertig zu werden, bekomme Frankreich 20 Millionen Euro, teilte Avramopoulos anschliessend mit. Grossbritannien habe bereits 27 Millionen Euro zu diesem Zweck erhalten.

Demnach kann Paris insgesamt 266 Millionen Euro und London 370 Millionen Euro aus dem EU-Fonds für Migration für 2014-2020 erhalten.

Avramopoulos lobte «die enge Zusammenarbeit der beiden Länder in dieser Angelegenheit». Die gegenwärtige Krise in Calais sei «ein weiteres frappierendes Beispiel für die Notwendigkeit einer umfassenderen Solidarität und Verantwortlichkeit beim Umgang mit Migrationsdruck in Europa», erklärte er.

Aus französischen Polizeikreisen verlautete am Mittwoch, in der Nacht habe es 350 Versuche gegeben, auf das Gelände des Eurotunnels zu gelangen. Davon seien 200 abgewehrt worden. 140 Migranten seien auf dem Gelände gefasst und ausgewiesen und zehn Flüchtlinge festgenommen worden. In den beiden vorangegangenen Nächten waren 1700 und 600 Versuche gezählt worden.

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