Im Streit um die Ukraine erhöhen EU und Russland den Einsatz. Während der Westen sich mit den Gegnern des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch solidarisiert, lockt Kremlchef Wladimir Putin mit einem engen Bündnis.
Das EU-Parlament stellte sich in dem Machtkampf am Donnerstag auf die Seite der prowestlichen Demonstranten. Die Abgeordneten erklärten sich in Strassburg mit den Gegnern Janukowitschs solidarisch und wollen schnell eine Delegation nach Kiew schicken.
Putin bekräftigte seinerseits den Willen Russlands zur Partnerschaft mit dem Nachbarland. «Wir zwingen niemandem etwas auf. Aber wenn unsere Freunde den Wunsch zur gemeinsamen Arbeit haben, sind wir bereit», sagte Putin bei seiner Rede an die Nation am Donnerstag in Moskau. Er warb erneut für eine Mitgliedschaft der krisengeschüttelten Ukraine in einer von Russland angeführten Zollunion.
Ashton trifft Janukowitsch
Die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton hingegen betonte nach zwei Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten: «Janukowitsch hat mir gegenüber deutlich gemacht, dass er die Absicht hat, das Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen.» Allerdings hatte die Ukraine dafür zuletzt 20 Milliarden Euro Finanzhilfe von der EU verlangt.
Sie habe mit dem Präsidenten über die kurzfristigen wirtschaftlichen Aussichten gesprochen. Es sei klar, dass die wirtschaftlichen Probleme des Landes durch die engere Anbindung an die EU gemildert werden könnten und neue Investitionen ins Land kämen, sagte Ashton.
Auch der stellvertretende ukrainische Regierungschef Sergej Arbusow kündigte eine baldige Unterzeichnung an. Er habe mit EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle über einen entsprechenden Zeitplan gesprochen, sagte Arbusow nach dem Treffen in Brüssel. Einen genauen Zeitpunkt für die Unterzeichnung nannte er nicht.
Auf Druck Moskaus hatte Kiew den Abschluss des Abkommens über eine engere Zusammenarbeit und freien Handel vor drei Wochen auf Eis gelegt. Seitdem fordern Demonstranten in der Ukraine den Rücktritt Janukowitschs und der Regierung.
Auch am Donnerstag gingen wieder schätzungsweise 20’000 Menschen auf die Strasse. 5000 Demonstranten verbrachten trotz eisiger Temperaturen die Nacht auf dem Unabhängigkeitsplatz – dem Maidan – in Kiew, wie das Innenministerium mitteilte.
Nach dem vorläufigen Rückzug der Sicherheitskräfte verstärkten die Demonstranten ihre Barrikaden, um sich gegen einen möglichen neuen Räumungsversuch zu wappnen. In der Nacht zu Mittwoch waren Spezialeinheiten gewaltsam gegen das Protestcamp vorgegangen, dann aber auf Befehl wieder abgezogen.
USA warnen vor Militäreinsatz
Die USA erwägen nach dem brutalen Vorgehen Sanktionen. Alle Optionen lägen auf dem Tisch, sagte Aussenamtssprecherin Jen Psaki. Um repressive Staaten unter Druck zu setzen, hatte Washington bislang Einreiseverbote für Regierungsvertreter verhängt oder deren Vermögen eingefroren. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel warnte seinen ukrainischen Kollegen Pawel Lebedew davor, das Militär gegen die Demonstranten einzusetzen.
Auch das EU-Parlament betonte in seiner fraktionsübergreifenden Entschliessung, die Europäische Union müsse über Zwangsmassnahmen gegen die Führung in Kiew nachdenken.
Opposition zu Gesprächen bereit
Zugleich forderte das EU-Parlament einen Dialog zwischen Regierung und Gegnern in Kiew. «Die Opposition würde einen grossen Fehler machen, wenn dieser Weg blockiert würde», sagte die deutsche Grünen-Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament, Rebecca Harms, im WDR.
Nachdem die Opposition um Boxweltmeister Vitali Klitschko Gespräche zuletzt strikt abgelehnt hatte, deutete sie nun wieder Bereitschaft an. Zuvor aber müsse die Regierung zurücktreten, forderte Klitschko. Zudem müssten alle Festgenommenen freikommen und die Schuldigen für den Polizeieinsatz bestraft werden. Klitschko forderte auch die Teilnahme von Vertretern der EU sowie der Zivilgesellschaft an einem möglichen Runden Tisch.
Der ukrainische Aussenminister Leonid Koschara plädierte für einen «einflussreichen ausländischen Vermittler». Dies könne der Europarat oder die EU-Kommission sein, sagte er in Kiew. «Regierung und Opposition sind im Moment nicht fähig zu konstruktiven Verhandlungen», betonte der Minister.