Der Christdemokrat Jean-Claude Juncker übernimmt für die kommenden fünf Jahre den mächtigen Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Das EU-Parlament wählte den Luxemburger am Dienstag in Strassburg zum Nachfolger des Portugiesen José Manuel Barroso.
Nachdem Juncker gegen den heftigen Widerstand des britischen Premiers Davids Cameron von den Staats- und Regierungschefs für den Posten Barrosos vorgeschlagen wurde, erhielt er jetzt auch die erforderliche Zustimmung des EU-Parlaments.
Für den früheren luxemburgischen Regierungschefs stimmten 422 Abgeordnete. Diese Stimmen dürften ausser aus den Reihen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und Sozialdemokraten auch von Liberalen und Grünen stammen. 250 Parlamentarier votierten gegen Juncker, 47 enthielten sich.
Notwendig war eine Mehrheit aller Mandate – also 376 Ja-Stimmen. «Ich kann mir eine breitere Zustimmung als die, die ich heute bekommen habe, eigentlich nicht vorstellen», sagte Juncker nach seiner Wahl.
Neues Wahlprozedere durchgesetzt
Zum ersten Mal in der Geschichte der EU wurde mit der Wahl des Luxemburgers das Ergebnis der Europawahl berücksichtigt, bei der Juncker als Spitzenkandidat der EVP das beste Ergebnis eingefahren hatte.
Während es im Kreise der Staats- und Regierungschefs Widerstand gegen das umstrittene Verfahren der Spitzenkandidaten gab, bestanden mehrere Fraktionen im EU-Parlament auf dem Prozess.
Mit den Spitzenkandidaturen habe das Parlament «eine fundamentale Richtungsänderung in den Strukturen der Europäischen Union erreicht», sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.
Schulz hatte sich als wichtigster Gegenkandidat mit dem zweitbesten Wahlergebnis zufriedengeben müssen. Dieser machte am Dienstag keinen Hehl daraus, dass auch er gerne den Brüsseler Topposten übernommen hätte.
Juncker muss Kommission zusammenstellen
Vor seiner Wahl versprach Juncker in einer Rede vor dem Parlament einen «Neustart» für die EU. Er legte den Abgeordneten einen Zehn-Punkte-Plan vor, der eine Investitionsoffensive für mehr Wachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorsieht. Dafür will Juncker öffentliche und private Investitionen von Höhe von 300 Milliarden Euro mobilisieren.
Der 59-jährige Christdemokrat wird nun in den kommenden Wochen seine Kommission zusammenstellen und über die Ressortverteilung verhandeln.
«Das wird kein einfaches Unterfangen», sagte er und forderte die EU-Staaten auf, mehr Frauen für die Posten vorzuschlagen. Jeder der 28 Mitgliedstaaten nominiert einen Kommissar. Vor ihrem Amtsantritt am 1. November benötigt die gesamte Kommission die Zustimmung des EU-Parlaments.
Bereits am (morgigen) Mittwoch wird sich der künftige Kommissionspräsident mit den EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel treffen, um über die Besetzung weiterer Spitzenposten zu verhandeln.
Erwartet wird dabei eine Entscheidung über die Nachfolge der britischen Aussenbeauftragten Catherine Ashton. Unsicher ist, ob bereits auch die Nachfolge des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy geregelt wird.