Verhärtete Fronten im EU-Haushaltsstreit: Wegen grosser Differenzen hat am Donnerstag der EU-Gipfel in Brüssel zum Finanzplan 2014 bis 2020 mit viereinhalb Stunden Verspätung begonnen. Es wurden harte Verhandlungen erwartet. Teilnehmer schlossen ein Scheitern nicht aus.
Die Stimmung war sichtbar frostig. Der französische Präsident François Hollande etwa würdigte den britischen Premier David Cameron beim obligatorischen Handschütteln kaum eines Blickes.
Hollande und Cameron hatten bereits vorher klar gemacht, sie würden nur einem Kompromiss zustimmen, der ihren Forderungen entspräche. Cameron pocht auf einen Sparhaushalt; Hollande will keine Abstriche bei den Zahlungen an Europas Bauern. Frankreich erhält mit rund 10 Milliarden Euro jährlich die meisten Agrarhilfen.
Vor dem Beginn hatten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs in kleiner und wechselnder Runde noch um einen Kompromiss gerungen. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker mahnte die Teilnehmer zu Kompromissbereitschaft.
Es gehe um Politik und „nicht nur um Zahlen“, sagte er. „Wir haben grosse Reden geschmettert, mehr gegen Arbeitslosigkeit und gegen Jugendarbeitslosigkeit zu tun.“ Wer Abstriche machen wolle, „muss sagen, was er eben nicht mehr machen möchte“.
Alternative: Jedes Jahr ein Budget
Der Gipfel ist bereits der zweite Anlauf; der erste war im November gescheitert. Dem Siebenjahresfinanzplan müssen alle 27 Staaten zustimmen. Ohne Einigung müsste ab 2014 jeweils jährlich ein Budget festgesetzt werden. Dafür braucht es aber nur einen Mehrheitsentscheid.
Allerdings möchte die EU dies vermeiden. So sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, es sei in der „jetzigen Zeit der wirtschaftlichen Unsicherheit und hohen Arbeitslosigkeit von grosser Bedeutung, dass Planbarkeit herrscht“.
Kein Vorschlag Van Rompuys
Eigentlich hatte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy einen abgespeckten Budgetvorschlag zum Gipfelbeginn präsentieren wollen. Dabei wollte er mit weiteren Kürzungen die Nettozahler wie Deutschland, Grossbritannien, die Niederlande und Schweden milde stimmen.
Doch trotz der stundenlangen Verspätung lag der Vorschlag bei der Gipfeleröffnung nicht vor. Dennoch zeigte Van Rompuy sich am Abend zuversichtlich, dass eine Einigung zustande kommt. „Wir müssen das einfach.“
Die EU-Kommission hatte ursprünglich über eine Billion Euro verlangt. Im November hatte Van Rompuys Vorschlag bei 972 Milliarden Euro gelegen – zu hoch befand Cameron damals und lehnte ab. Nun kursiert ein Budgetvorschlag in Höhe von 960 Milliarden Euro für die sogenannten Verpflichtungsermächtigungen.
Buchhalterischer Trick?
Zuletzt hiess es von Diplomaten, es liege ein Vorschlag vor, der den Briten entgegenkomme. Gemäss der italienischen Nachrichtenagentur ANSA soll dabei die Schere zwischen Verpflichtungsermächtigungen und Zahlungen vergrössert werden. Demnach würden die Zahlungen bei rund 900 Milliarden Euro liegen.
Dieser Trick könnte alle zufriedenstellen. Cameron könne mit Bezug auf die vereinbarten Zahlungen zu Hause einen Erfolg vorweisen und Hollande mit Bezug auf die Verpflichtungsermächtigungen.
Gestritten wurde auch um die Frage, wo gespart werden soll. Die grössten Posten sind die Landwirtschaft sowie die Förderung armer Regionen. Angesetzt werden soll der Rotstift offenbar bei der EU-Verwaltung – eine Dauerforderung Camerons. Dabei macht dieser Posten nur einen kleinen Teil aus. 94 Prozent der EU-Einnahmen fliessen an die Mitgliedsländer zurück.
Süd- und Osteuropa bangen um Gelder
Während die Nettozahler weniger Geld geben wollen, kämpfen süd- und osteuropäische Länder um ihre Milliarden aus Brüssel. „Der Entwurf ist inakzeptabel, und wir sind bereit, ein Veto einzulegen“, sagte der tschechische Ministerpräsident Petr Necas der Agentur CTK.
Falls der Gipfel sich einigt, ist das Budget noch nicht unter Dach. Denn es braucht die Zustimmung des EU-Parlaments. Dieses hat aber bereits signalisiert, dass es einen Kahlschlag nicht hinnehmen wird.