In der EU wächst die Sorge wegen des Zustandes der italienischen Justiz. Die EU-Kommission liefert in einem Bericht die Gründe dafür: Eine rekordhohe Zahl hängiger Verfahren, überfüllte Gefängnisse und zunehmende Korruption.
Daran haben zahlreicher Massnahmen zur Modernisierung des Justizsystems nicht viel ändern können, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Bericht der EU-Kommission hervorgeht. Fast neun Millionen Verfahren sind demnach in Italien hängig, 5,2 Millionen davon allein im Bereich Ziviljustiz.
Brüssel klopft Italien vor allem wegen der Langsamkeit der Justiz auf die Finger. Die Lage im Land habe sich in den letzten Jahren noch verschlechtert.
Fast 600 Tage seien bei Zivilverfahren notwendig, um zu einem rechtskräftigen Urteil zu gelangen. Im Jahr 2010 waren es noch 500 Tage, wie die EU-Kommission berichtete.
5,5 Zivilverfahren pro 100 Einwohner sind in Italien hängig. Das mache aus Italien mit Malta das EU-Land mit dem ineffizientesten Justizsystem, berichtete Brüssel. Auf Malta muss 700 Tage bis zu einem Urteil gewartet werden.
Wegen des komplizierten Justizsystems hat es in Italien überdurchschnittlich viele Rechtsanwälte, nämlich 379 Rechtsanwälte auf 100’000 Einwohner. Insgesamt kommt Italien auf 226’202 Anwälte. Der europäische Durchschnitt liegt bei 106 Rechtsanwälte pro 100’000 Einwohnern.
Vertrauen zurückgewinnen
Die Unabhängigkeit des Justizsystems und seine Funktionsfähigkeit seien eine Notwendigkeit, um das Vertrauen der Bürger und Investoren zurückzugewinnen, sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding.
Der Vizepräsident von Italiens Oberstem Richterrat (CSM), Michele Vietti, meinte, eine Justizreform sei in Italien dringend notwendig. Der neue Regierungschef Matteo Renzi habe seinen Willen bekräftigt, die Reform bis Juni vorzustellen. „Wir hoffen, dass die Justizreform für die Regierung kein leerer Slogan sein wird“, sagte Vietti.