Die EU und die USA wollen die Ukraine nun offenbar doch mit finanzieller Unterstützung locken. Dies wäre eine Kehrtwende: Auf dem letzten EU-Gipfel in Brüssel hatte die Forderung Kiews nach Finanzhilfe noch für Empörung gesorgt. Der Geldsegen dürfte aber an Bedingungen geknüpft sein.
«Wir sprechen mit unseren Partnern darüber, wie wir der Ukraine wirtschaftlich helfen können», sagte eine Sprecherin der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton am Montag in Brüssel. Die wirtschaftliche Lage in der Ukraine sei sehr schwierig.
Die EU diskutiere unter anderem mit den USA und Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über Wege, das finanziell angeschlagene Land zu unterstützen. Voraussetzung seien «sehr präzise Regeln und sehr präzise Schritte, die unternommen werden müssen».
Die Sprecherin reagierte damit auf Äusserungen Ashtons gegenüber dem «Wall Street Journal». Die US-Zeitung berichtete am Montag, die EU und die USA suchten nach Wegen, das Land bis zu Neuwahlen wirtschaftlich zu stabilisieren. Dabei gehe es «nicht um geringe Beträge», sagte Ashton.
«Wahl der Werte»
Der Ukraine droht der Staatsbankrott. Die Europäische Union hatte bisher Bitten aus Kiew stets abgewiesen, eine Annäherung an die Europäische Union mit Finanzhilfen aus Brüssel zu verknüpfen.
Auf dem letzten EU-Gipfel kurz vor Weihnachten hatte der finnische Regierungschef Jyrki Katainen noch gesagt, der Abschluss eines Assoziierungsabkommens mit der Ukraine sei «eine Wahl der Werte» und «keine Frage des Geldes».
Russland sprang darauf in die Bresche und versprach der Ukraine Kredite und Rabatte auf Gaslieferungen in Milliardenhöhe. Angesichts der aktuellen innenpolitischen Krise in der Ukraine stoppte Moskau vergangene Woche aber die Auszahlung an das Nachbarland. Einem EU-Vertreter zufolge forderte besonders der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko internationale Finanzhilfe als «Gegengewicht» zum russischen Angebot.
Die EU-Aussenbeauftragte Ashton reist voraussichtlich an diesem Dienstag zu weiteren Gesprächen mit Regierung und Opposition nach Kiew. Für Kredite aus dem Westen dürfte sie wohl Konzessionen verlangen – beispielsweise die Einbindung der Opposition in die Regierungsverantwortung sowie Verfassungsänderungen.
So sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Montag: Es gehe «immer um das Anliegen, der Ukraine auf ihrem europäischen Weg zu helfen, denn wir glauben, dass dies der Weg ist, den die meisten Ukrainer bevorzugen.»
Suche nach neuer Regierung
Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch kehrte derweil nach vier Krankheitstagen wieder an seinen Schreibtisch zurück. Seine erste Aufgabe dürfte die Nominierung eines neuen Ministerpräsidenten sein, nachdem Nikolai Asarow Ende Januar unter dem Druck der Proteste zurückgetreten war.
Janukowitsch wolle seine Vorschläge noch diese Woche präsentieren und mit der Opposition über seinen Favoriten diskutieren, kündigte der Parlamentspräsident an, der zu Janukowitschs Verbündeten zählt. Zuvor hatten der Vorsitzende der grössten Oppositionspartei, Arseni Jazenjuk, und Vitali Klitschko ein Angebot Janukowitschs abgelehnt, leitende Regierungsposten zu übernehmen.
Die Opposition setzte ihre Proteste fort; ihr reichen Janukowitschs Zugeständnisse nicht aus und fordert dessen Rücktritt. Allerdings einigten sich radikale Demonstranten nach eigenen Angaben mit der Führung auf eine Freilassung aller festgenommener Demonstranten bis zum Freitag.
Im Gegenzug wollen die Regierungsgegner die besetzte Stadtverwaltung von Kiew sowie Barrikaden auf der Gruschewski-Strasse im Regierungsviertel räumen.