Die EU zieht konkrete Konsequenzen aus den Ereignissen nach dem Putschversuch in der Türkei. Bei einem Ministertreffen in Brüssel wurde offiziell festgehalten, dass die EU-Beitrittsverhandlungen angesichts der Verhältnisse in der Türkei nicht ausgeweitet werden.
Mit dem Ausweitungsstopp für die Türkei-Gespräche reagiert die EU vor allem auf das Vorgehen türkischer Behörden gegen Medien und Oppositionspolitiker.
Es sei klar, dass es in Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit eher Rückschritte als Fortschritte gebe, kommentierte der für Deutschland verhandelnde Staatsminister Michael Roth. «Niemand ist mit den derzeitigen Entwicklungen in der Türkei zufrieden.»
Für einen Eklat sorgte beim Ministertreffen allerdings die österreichische Forderung nach einem Einfrieren der Verhandlungen. Österreichs Aussenminister Sebastian Kurz blockierte letztendlich sogar eine gemeinsame Erklärung aller EU-Staaten, weil sich andere Länder nur auf einen Ausweitungsstopp, nicht aber auf ein Einfrieren der Verhandlungen einlassen wollten.
Enttäuschung wegen Blockade
Kurz machte deutlich, dass er mit seinem Veto auch den Abgeordneten im EU-Parlament den Rücken stärken wollte. Diese hatten sich vor kurzem mit grosser Mehrheit für ein Einfrieren der Verhandlungen ausgesprochen.
«Es geht überhaupt nicht darum, Türen zuzuschlagen oder nicht mehr im Gespräch zu bleiben», sagte Kurz. Es gehe darum, ein politisches Signal zu setzen und der Türkei nicht weiter vorzugaukeln, dass der Beitritt in die EU nahestehe.
«Ich sage ganz offen, wir hätten gerne mehr erreicht», sagte der EU-Ratsvorsitzende und slowakische Aussenminister Miroslav Lajcak nach dem Treffen. Und Roth meinte: «Wir haben nach Kräften versucht, Österreich aus der Isolation herauszubringen.» Es sei «sehr enttäuschend», dass dies nicht gelungen sei.
Der französische Europastaatssekretär Harlem Désir zeigte zwar ein gewisses Verständnis für seinen österreichischen Kollegen. Er machte aber auch deutlich, dass Frankreich für eine Fortsetzung der Gespräche ist – auch weil die Türkei ein wichtiger Partner in der Migrationspolitik und im Kampf gegen den Terrorismus sei.
Brüsseler Kritik an Ankara
Basis der Beratungen der EU-Minister war der jährliche Fortschrittsbericht der EU-Kommission zu allen Beitrittskandidaten der Union. Die Brüsseler Behörde hatte darin Mitte November zwar einen «Rückfall» der Türkei bei der Unabhängigkeit der Justiz und der Meinungsfreiheit kritisiert, will aber den Beitrittsprozess grundsätzlich fortführen.
Die Türkei ist seit 2005 Kandidatin für einen EU-Beitritt. Die Verhandlungen kamen lange nicht voran. Erst die stärkere Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise gab den Gesprächen neuen Schwung.
Dadurch wurden zwei weitere sogenannte Beitrittskapitel mit Ankara eröffnet. Damit sind 16 von 35 sogenannten Verhandlungskapiteln eröffnet, in denen die EU-Standards für eine Mitgliedschaft festgelegt sind.