Im Machtkampf um die Ukraine fordern die Europäer in ungewohnter Offenheit Kreml-Chef Wladimir Putin heraus. «Die Zukunft der Ukraine liegt in Europa», sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Freitag zum Abschluss des Gipfeltreffens in Brüssel.
Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs lehnten den Druck Moskaus auf frühere Sowjetrepubliken wie die Ukraine entschieden ab. «Wir werden dem Problem nicht aus dem Weg gehen», sagte Van Rompuy mit Blick auf das geplante EU-Spitzentreffen mit Putin Ende Januar. Die Liste der Meinungsverschiedenheiten mit Moskau werde immer länger.
Laut der deutschen Kanzlerin Angela Merkel machten die «Chefs» deutlich, «dass wir der Meinung sind, dass jedes Land seine aussenpolitischen Entscheidungen in Souveränität fällen muss». Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite ergänzte: «Europa ist offen für das ukrainische Volk. Aber nicht unbedingt für diese Regierung. Das ist die Botschaft.»
Die pleitebedrohte Ukraine hat ein Angebot Russlands über Kredithilfen von 15 Milliarden US-Dollar sowie über einen 30-prozentigen Rabatt auf Gaslieferungen angenommen. Damit hatte sich die Regierung in Kiew von der EU abgewandt. Die Ukraine mit rund 45 Millionen Menschen ist als Transitland für Gaslieferungen nach Europa strategisch äusserst wichtig.
EU pocht auf Menschenrechte
Staatschef Viktor Janukowitsch weigert sich, ein fertig ausgehandeltes Partnerschaftsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Der Pakt kann laut Merkel immer noch unterschrieben werden. «Die Tür steht offen, hier gibt es kein Datum, wann sie geschlossen wird.»
Das Land müsse aber gewisse Bedingungen erfüllen, betonte Merkel. «Jeder Staat ist zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet.» Die EU werde die friedlichen Proteste gegen die Regierung von Janukowitsch unterstützen, gleichzeitig aber auch sowohl mit der Regierung in Kiew als auch mit Moskau im Gespräch bleiben.
Frankreichs Präsident François Hollande sagte: «Falls sich die Ukraine anders entscheidet, ist das die Verantwortung ihres Führungspersonals.»
Diskussion über französischen Militäreinsatz
Zum Abschluss ihres zweitägigen Spitzentreffens berieten die europäischen Staatenlenker vor allem über die Aussenpolitik. Umstritten blieb die Finanzierung des französischen Militäreinsatzes in der Zentralafrikanischen Republik. Im Januar werden die EU-Aussenminister darüber beraten, ob der französische Einsatz zu einer EU-Mission ausgeweitet werden soll.
Merkel machte jedoch deutlich, dass es eine rückwirkende Finanzierung der bisher nationalen französischen Mission – wie aus Paris zunächst gefordert – nicht geben werde. Die Staatschefs beschlossen auch, die Lastenteilung bei Militäreinsätzen grundsätzlich zu überprüfen.
Ausserdem bestätigten die Staatenlenker den Beschluss ihrer Aussenminister, im Januar Beitrittsverhandlungen mit Serbien zu beginnen. Bei der Flüchtlingspolitik sicherten die Staaten den besonders belasteten Mittelmeerländern wie Italien mehr Unterstützung zu.
Cameron spricht über Einwanderung
Der britische Premierminister David Cameron brachte erneut die Änderung der EU-Verträge zur Sprache, um die Freizügigkeit für Bürger aus ärmeren Ländern einzuschränken. «Mehr wirtschaftliche Integration benötigt Vertragsänderungen», sagte er.
Cameron, der zum Jahreswechsel den Bezug von Sozialleistungen für arme EU-Einwanderer in seinem Land erschwert, sprach von einem «klaren Signal» an Rumänen und Bulgaren auf dem Weg nach Grossbritannien.
In der Nacht auf Freitag hatten die EU-Chefs ausserdem beschlossen, erst im Oktober 2014 über verbindliche Reformverträge für ihre Wirtschafts- und Bildungspolitik zu entscheiden. Merkel sagte, man habe die für Juni kommenden Jahres angestrebte Entscheidung mit Blick auf die komplizierten Fragen und die Europawahl vertagt.