Der Absturz der Ölpreise und der schwache Euro bescheren den Euroländern mehr Wachstum als bisher erwartet. Die EU-Kommission rechnet für das laufende Jahr in der Eurozone mit einem Plus von 1,3 Prozent statt der zunächst vorhergesagten 1,1 Prozent.
2016 soll sich das Wachstum dann auf 1,9 statt 1,7 Prozent beschleunigen. Gründe dafür seien auch das Anleihen-Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) und der milliardenschwere EU-Investitionsplan, der aber erst noch in die Tat umgesetzt werden muss. Das teilte die Behörde am Donnerstag in ihrer Winter-Konjunkturprognose in Brüssel mit.
«Europas wirtschaftlicher Ausblick ist heute etwas heller als bei der Präsentation der letzten Prognose», sagte EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici. Allerdings gebe es Risiken für die weitere Entwicklung. «Die Investitionen sind schwach», warnte der Franzose. Und die Arbeitslosigkeit bleibe hoch.
Auch politische Krisen und die negative Inflation gefährdeten den Aufschwung. Laut der Prognose wird die jährliche Teuerungsrate in diesem Jahr minus 0,1 Prozent betragen.
Der für den Euro zuständige EU-Kommissionsvizechef Valdis Dombrovskis ermahnte die EU-Regierungen: «Heute steht Europa an einem kritischen Punkt. (…) Wir müssen den Impuls der Reformen erhöhen, um die Erholung der Wirtschaft zu stärken und dafür zu sorgen, dass die Leute mehr Geld in der Tasche haben.»
Grosse Unterschiede
Auch wenn der Prognose zufolge 2015 alle EU-Staaten erstmals seit dem Jahr 2007 wieder ein Wachstum verzeichnen, bleibt die Spanne gross. Sie reicht bei den Euroländern von 0,4 Prozent in Zypern bis 3,5 Prozent in Irland.
Für Deutschland – die grösste Volkswirtschaft der Eurozone – erwartet die EU-Kommission ein Plus von 1,5 Prozent und somit mehr als im Schnitt der Eurozone. Frankreich wird demnach nur 1,0 Prozent Wachstum schaffen, Italien 0,6 Prozent.
Für das Euro-Sorgenkind Griechenland bleibt die Prognose im Rahmen des bislang Erwarteten. Die EU-Kommission nimmt für Athen 2,5 Prozent Wachstum an «auf der Grundlage der Annahme, dass es weitergeht mit Reformen und Haushaltsdisziplin», wie Moscovici sagte.
Mit Blick auf die Spar- und Reformvereinbarungen, die von der neuen Links-Rechts-Regierung in Athen infrage gestellt werden, sagte der Sozialist: «Die europäischen Partner (…) wollen, dass die Verpflichtungen eingehalten werden.»
Frankreich muss mehr sparen
Moscovici machte deutlich, dass der Defizitsünder Frankreich mehr sparen muss: «Eine Anstrengung ist nötig.» Er hatte Paris bis März ein Ultimatum gesetzt, um den Haushalt 2015 in Ordnung zu bringen. Dem Land drohen im Defizitverfahren hohe Strafen.
Paris wolle sein sogenanntes Strukturdefizit, bei dem Konjunktureffekte ausgeklammert sind, um 0,3 Prozentpunkte senken. Nötig seien aber 0,5 Punkte. Die Diskussionen mit Frankreich liefen deshalb weiter.
Frankreich hatte von Brüssel mehr Zeit erhalten, um sein Defizit unter die erlaubte Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken. Paris dürfte das Ziel aber auch in diesem Jahr mit 4,1 Prozent verfehlen. Auch Spanien wird mit einer Defizitquote von 4,5 Prozent deutlich über dem Richtwert liegen.
Italien hatte von Moscovici ebenfalls eine Frist bis März erhalten. Er forderte von Rom weitere Details zu Wirtschaftsreformen, nannte aber keine konkreten Sparvorgaben mehr.