Ex-Direktor von kommunistischer Haftanstalt in Rumänien verurteilt

In Rumänien ist der frühere Direktor des Foltergefängnisses von Ramnicu Sarat zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Der 89-jährige Alexandru Visinescu wurde am Freitag von einem Gericht in Bukarest schuldig gesprochen.

Alexandru Visinescu ist verurteilt worden. (Bild: sda)

In Rumänien ist der frühere Direktor des Foltergefängnisses von Ramnicu Sarat zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Der 89-jährige Alexandru Visinescu wurde am Freitag von einem Gericht in Bukarest schuldig gesprochen.

Visinescu hatte die besonders gefürchtete Haftanstalt im Osten des Landes von 1956 bis 1963 geleitet. Er ist der erste frühere Gefängnisleiter, der wegen Verbrechen während der kommunistischen Herrschaft unter Diktator Nicolae Ceausescu vor Gericht stand.

Visinescu musste sich seit September wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Die Staatsanwaltschaft forderte 25 Jahre Haft. Sie warf dem 89-Jährigen vor, in der Strafvollzugsanstalt in Ramnicu Sarat im Osten des Landes ein «Vernichtungsregime» geführt zu haben.

Systematische Misshandlungen

Die Anklageschrift schilderte die systematische Misshandlung und Bestrafung von politischen Häftlingen: Sie sassen in Einzelhaft, bekamen nicht genug zu essen und wurden geschlagen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kamen mindestens 14 Gefangene unter der Aufsicht von Visinescu ums Leben.

Visinescu erklärte zu seiner Verteidigung, er habe nur die geltenden Regeln befolgt. Die Verantwortung dafür liege bei der Leitung der Strafvollzugsbehörden. Reue oder Bedauern äusserte er nicht. Zur Urteilsverkündung erschien er nicht vor Gericht, er muss vorerst auch nicht ins Gefängnis.

Ihr Mandant werde gegen das Urteil «sehr wahrscheinlich» Berufung einlegen, sagte seine Pflichtverteidigerin Valentina Bornea der Nachrichtenagentur AFP. Visinescu selbst wollte keine Stellungnahme abgeben.

Moralischer Sieg für Opfer

Die Nebenklägerin Anca Cernea, deren Vater und Grossvater in Ramnicu Sarat in Haft sassen, wertete das Urteil als «moralischen Sieg» für die Opfer, obwohl es «spät» komme. Andere Beobachter, die den Prozess schon mit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen verglichen hatten, äusserten sich weniger zufrieden.

Visinescus Weigerung, auf Fragen zu antworten, hatte den Prozess erheblich erschwert. Mit dem 84-jährigen Valentin Cristea erklärte sich zudem nur ein einziger Überlebender bereit, gegen Visinescu auszusagen.

Er sei vom Verlauf des Prozesses «ein bisschen enttäuscht», sagte der Leiter des Instituts für die Erforschung der Verbrechen des Kommunismus in Rumänien (IICCMER), Cosmin Budeanca. Es handele sich aber um einen «Präzedenzfall», Wissenschaft und Justiz könnten aus dem ersten Prozess dieser Art in Rumänien nun einiges lernen.

Das Institut hatte der Staatsanwaltschaft tausende Seiten mit Zeugenaussagen und Dokumenten über das Grauen in rumänischen Lagern übergeben und die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Visinescu damit letztlich ins Rollen gebracht. Die Forscher benannten neben Visinescu noch über 30 weitere mutmassliche Folterer.

600’000 Inhaftierte

Ein zweiter Prozess gegen einen früheren Kommandanten eines Arbeitslagers in Periprava im Südosten Rumäniens, der für den Tod von mehr als hundert Häftlingen verantwortlich gemacht wird, begann im April.

Insgesamt wurden in Rumänien in den Jahren 1945 bis 1989 etwa 600’000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert. Wenige Verantwortliche wurden bisher zur Rechenschaft gezogen. Ceausescu und seine Frau Elena wurden nach dem Umsturz 1989 hingerichtet.

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