Aus Medien zugespielten, vertraulichen Dokumenten über mehr als 175’000 Briefkastenfirmen und Stiftungen auf den Bahamas sind wieder diverse teils illegale Steuerpraktiken ablesbar. Unter den Prominenten ist auch die ehemalige EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes.
Kroes und andere Politiker unterhielten den Enthüllungen zufolge in den vergangenen Jahren Briefkastenfirmen auf den Bahamas. Die «Süddeutsche Zeitung» (SZ) berichtete in ihrer Donnerstagsausgabe über vertrauliche Dokumente aus dem Firmenregister des Inselstaats im Atlantik. Demnach wurden zwischen 1990 und 2016 auf den Bahamas 175’888 Briefkastenfirmen und Stiftungen gegründet.
Die Existenz von Briefkastenfirmen ist nicht verboten, solange diese Unternehmen nicht zur Steuerhinterziehung oder Geldwäsche genutzt werden oder wenn, wie im Fall von Kroes der «SZ» zufolge Offenlegungspflichten verletzt werden.
Die frühere Kommissarin verstiess nach Angaben der Zeitung gegen den Verhaltenskodex der EU-Kommission. Sie war von 2000 bis 2009 Direktorin der Mint Holdings Limited. Kommissionsmitgliedern ist aber jegliche Nebentätigkeit verboten. Kroes war von 2004 bis 2010 EU-Kommissarin.
Ein «Versehen»
Kroes hätte ihre Tätigkeit in dem Steuerparadies auch dann noch erklären müssen, als sie den Direktorenposten aufgegeben hatte, hiess es in dem «SZ»-Bericht. Die frühere Kommissarin erklärte auf Anfrage, es habe sich um ein «Versehen» gehandelt.
Ihrem Anwalt zufolge übernimmt sie die «volle Verantwortung» und will Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker darüber informieren. Kroes‘ Firma wurde dem Anwalt zufolge für ein geplantes Milliardengeschäft mit dem US-Energiekonzern Enron gegründet. Zu dem Deal sei es allerdings nicht gekommen. Wegen der nicht deklarierten Firma droht der Ex-Kommissarin nun die Streichung ihrer Pensionen sowie anderer Vergünstigungen.
In den zugespielten Dokumenten finden sich auch Politiker wie der frühere kolumbianische Minenminister Carlos Caballero Argáez, der kanadische Finanzminister William Francis Morneau und der angolanische Vize-Präsident Manuel Domingos Vicente als Direktoren, Sekretäre oder Präsidenten von Firmen auf den Bahamas.
Die Bahamas, eine frühere britische Kronkolonie, gelten seit Jahrzehnten als Steueroase. Es gibt dort weder eine Kapitalertrags- noch eine Vermögenssteuer, dafür aber ein strenges Bankgeheimnis.
Die «SZ» arbeitete bei den «Bahamas-Leaks» wie schon bei früheren Enthüllungen mit dem internationalen Recherchenetzwerk ICIJ zusammen. Das Netzwerk ICIJ hatte in der Vergangenheit bereits einen umfangreichen Datensatz über Briefkastenfirmen ausgewertet, die über die in Panama ansässige Finanzkanzlei Mossack Fonseca liefen.
Mittendrin: UBS und CS
Wie der «TagesAnzeiger» berichtet, gehören die Schweizer Grossbanken zu den grossen Playern auf dem Finanzplatz Bahamas: Demnach gründeten UBS und CS, respektive deren Tochterunternehmen, auf den Bahamas je etwas mehr als 9500 Firmen. Damit belegen sie Platz zwei und drei der weltweit grössten Nutzer von Briefkastenfirmen auf den Bahamas – gleich hinter Mossack Fonseca, der panamischen Anwaltskanzlei, die im Zentrum der Enthüllungen der Panama Papers stand.
Besonders aktiv waren UBS und Credit Suisse 2004 und 2005, als das Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU in Kraft trat. Viele ausländische Bankkunden überschrieben ihr Vermögen in der Schweiz an Offshore-Firmen, um die neue Steuer zu vermeiden. In diesen Jahren hatten Schweizer Finanzdienstleister bei der Neugründung von Bahamas-Firmen einen Marktanteil von mehr als einem Drittel.
Zum ganzen Artikel: Die Offshore-Geschäfte von UBS und CS auf den Bahamas