Die Genfer Justiz hat am Dienstag die lebenslange Haft gegen Erwin Sperisen in zweiter Instanz bestätigt. Der ehemalige Polizeichef Guatemalas wurde wegen Mordes an zehn Häftlingen schuldig gesprochen. Er geht vor Bundesgericht.
Mit dem Sperisen-Prozess betrat die Genfer Justiz bereits im Sommer 2014 Neuland. Sie musste über zehn Mordfälle entscheiden, welche im zentralamerikanischen Staat Guatemala verübt worden waren. Nach seiner Zeit an der Spitze der Nationalen Zivilen Polizei war Erwin Sperisen 2007 in die Schweiz geflüchtet.
Im August 2012 wurde er festgenommen und sitzt seither in Haft. Er beteuerte stets seine Unschuld. Weil er als schweizerisch-guatemaltekischer Doppelbürger nicht ausgeliefert werden kann, mussten sich die Gerichte in der Rhonestadt nun zum zweiten Mal über seinen Fall beugen.
Die Strafkammer des Genfer Obergerichts wich am Dienstag in zwei Punkten vom Schuldspruch der ersten Instanz ab. Diese hatte Sperisen ebenfalls zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, dem Angeklagten aber sieben Morde zur Last gelegt.
Zehn Morde an Häftlingen
Zu diesen sieben Morden kam es 2006 bei der Erstürmung des Gefängnisses Pavon. In der Strafanstalt hatten vor der grossangelegten Polizeiaktion die Gefangenen das Kommando übernommen.
Das Genfer Obergericht sah es als erwiesen an, dass Sperisen vom Einsatz des Todesschwadrons Kenntnis hatte. «Er kannte die Mitglieder des Kommandos, seine kriminellen Absichten und das Resultat», hielten die Richter fest.
Sie sprachen Sperisen zwar in allen sieben Morden für schuldig. Sie entlasteten ihn aber vom Vorwurf, in einem Fall eigenhändig den Abzug gedrückt zu haben.
Auf die Aussage eines französischen Häftlings, welcher das Tötungsdelikt mit seinen eigenen Augen gesehen haben will, wollte sich das Obergericht nicht abstützen. Die erste Instanz hatte dies noch anders beurteilt.
Zudem war Sperisen im ersten Prozess vor einem Jahr in drei weiteren Mordfällen mangels Beweisen freigesprochen worden. Die zweite Instanz sprach ihn am Dienstag auch des Mordes an dreien aus dem aus dem Gefängnis «El Infiernito» entflohenen Häftlingen schuldig.
Staatsanwalt erwartet Signalwirkung
Das Obergericht folgte mit dem Urteil auf ganzer Linie dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Dessen Vertreter Yves Bertossa wertet dies als klares Signal: «Genf ist kein Zufluchtsort für Schweizer, die Morde im Ausland begangen haben.»
Ganz anders sahen dies die beiden Verteidiger von Sperisen, die Anwälte Florian Baier und Giorgio Campa. «Wir werden vor das Bundesgericht und falls nötig bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen», sagte Baier. Sein Mandant habe keinen «gerechten Prozess» erhalten.
Er spielte auch auf den Freispruch der rechten Hand Sperisens, Javier Figueroa, in Österreich an. «Der direkte Untergebene von Erwin Sperisen wird freigesprochen, während die Person, welche verdächtigt wird, ihm die Befehle erteilt zu haben, verurteilt wird. Das ist unglaublich», sagte Baier.
Die Genfer Justiz zeigte sich bei der Urteilseröffnung vom Freispruch in Österreich unbeeindruckt. Dieser Mann sei ein Mittäter, bekräftigten die Richter des Obergerichts und beriefen sich auf die Untersuchungsakten.
Sieg der Rechtsstaatlichkeit
Nichtregierungsorganisationen (NGO) werten die Verurteilung als starkes Zeichen gegen die Straflosigkeiten von Staatsverbrechen. Das Urteil beweise, dass die Justiz in der Lage sei, die Verwicklung des Staates und seiner Vertreter in schwere Menschenrechtsverletzungen zu beweisen, schrieb Philip Grant, Direktor der NGO Trial, in einer Medienmitteilung.
Auch Amnesty International bezeichnete die Bestätigung des Urteils als «wegweisend». Es stärke die Rechtsstaatlichkeit und schrecke alle ab, die sich ins Ausland absetzen oder sich mit ihren Verbrechen hinter der nicht funktionierenden Justiz zu verstecken versuchen würden, sagte Alain Bovard, Jurist bei Amnesty International Schweiz.