Ex-SS-Mann schweigt zu Prozessauftakt zu Mordvorwurf

Fast 69 Jahre nach einem NS-Mord in den Niederlanden hat in Deutschland der Prozess gegen den 92-jährigen mutmasslichen Täter begonnen. Siert Bruins soll im September 1944 mit einem mittlerweile gestorbenen SS-Mann einen Widerstandskämpfer erschossen haben.

Schweigt vorerst: Bruins bei der Ankunft im Hagener Gericht (Bild: sda)

Fast 69 Jahre nach einem NS-Mord in den Niederlanden hat in Deutschland der Prozess gegen den 92-jährigen mutmasslichen Täter begonnen. Siert Bruins soll im September 1944 mit einem mittlerweile gestorbenen SS-Mann einen Widerstandskämpfer erschossen haben.

Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Hagen schwieg das frühere Mitglied der Waffen-SS zu den Vorwürfen. Der Dortmunder Oberstaatsanwalt Andreas Brendel warf dem 92-Jährigen am ersten Verhandlungstag die «gemeinschaftliche und heimtückische Tötung» des niederländischen Widerstandskämpfers Aldert Klaas Dijkema vor.

Das Opfer gehörte im Zweiten Weltkrieg dem Widerstand gegen die damalige deutsche Besatzung in den Niederlanden an. Dijkema war kurz vor der im niederländischen Appingedam verübten Bluttat vom SS-Sicherheitsdienst (SD) festgenommen worden.

Keine Aussage

Im Mordprozess könnte dem gebürtigen Niederländer Bruins Jahrzehnte nach der Tat eine lebenslange Freiheitsstrafe drohen. Laut Staatsanwaltschaft sollen der Angeklagte, der nach dem Krieg nach Deutschland flüchtete, und sein damaliger Mittäter den Widerstandskämpfer in der Nacht vom 21. zum 22. September 1944 hinterrücks und angeblich «auf der Flucht» erschossen haben.

Bruins liess über seinen Verteidiger erklären, er werde sich zu Prozessbeginn nicht zu den Vorwürfen äussern und auch keine Angaben zu seiner Person machen. Gegebenenfalls werde er zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens Stellung nehmen. Zur Tatzeit hatte B. dem deutschen Grenz- und Sicherheitspolizeiposten in Delfzijl angehört.

Bereits mehrfach verurteilt

Der Angeklagte hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland abgesetzt. Bereits im Februar 1980 wurde der heute 92-Jährige vom Hagener Landgericht zu sieben Jahren Haft verurteilt – wegen Beihilfe zum Mord an zwei jüdischen Brüdern, die im April 1945 bei Delfzijl erschossen worden waren.

Auch in den Niederlanden wurde Bruins verurteilt. Ein Sondergericht in dem Nachbarland verhängte im April 1949 gegen ihn die Todesstrafe wegen der Teilnahme an drei Erschiessungen, darunter auch die des Widerstandskämpfers Dijkema. Die Strafe wurde später in lebenslange Haft umgewandelt.

Keine Auslieferung

1978 beantragten die Niederländer bei den deutschen Behörden die Auslieferung von Bruins. Der Auslieferungsantrag scheiterte jedoch, weil Bruins nach Einschätzung der deutschen Behörden im Krieg die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt hatte.

Hintergrund ist ein Erlass von Naziführer Adolf Hitler vom Mai 1943. Durch den Erlass erhielten Ausländer, die in NS-Verbänden Dienst taten, die deutsche Staatsangehörigkeit. Bruins sagte dazu am ersten Prozesstag: «Ich bin seit 1943 Deutscher.»

Für das Verfahren sind neun weitere Verhandlungstage bis zum 26. September anberaumt. Wegen des hohen Alters des Angeklagten will das Gericht täglich höchstens drei Stunden verhandeln.

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