Die Klimapolitik des Bundesrates geht in die richtige Richtung – aber nicht weit genug. So lautet das Fazit des Expertenbeirats OcCC, der den Bundesrat in der Klimapolitik berät. Die Fachleute fordern unter anderem die «konsequente Bepreisung der CO2-Emissionen».
Die aktuelle Klimapolitik sei «zu wenig ambitioniert», um das Zwei-Grad-Klimaziel zu erreichen, bilanziert der Bericht zuhanden des Umwelt-, Verkehrs- und Energiedepartements (UVEK). Um dieses Ziel nicht zu verfehlen, müsste die Schweiz bis 2050 ihre Emissionen um 80 bis 95 Prozent senken, heisst es in dem Bericht, den die NZZ am Sonntag publik machte.
Der Bundesrat hat die Absicht, bis 2030 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 30 Prozent im Inland und zusätzlich um 20 Prozent im Ausland zu senken. Dies taxiert das OcCC (Beratendes Organ für Fragen der Klimaänderung) in seinem Bericht, der der sda vorliegt, als einen «ersten, jedoch wichtigen Schritt».
Mehr Zwang in der Verkehrspolitik
Freiwillige Massnahmen hätten in den vergangenen 20 Jahren aber nicht viel gebracht, schreiben die Experten. Vor allem die Verkehrspolitik habe versagt, der CO2-Ausstoss habe trotz der gesetzlichen Grundlagen weiter zugenommen.
Nun seien «strengere gesetzliche Rahmenbedingungen wie technische Normen, Kontingente oder Verbote» gefragt, heisst es in dem Bericht. Effektiv wäre laut dem Beirat die konsequente Bepreisung der CO2-Emissionen.
Auch Investitionen in den Unterhalt oder den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur müssten künftig besser auf die Klimapolitik abgestimmt werden, rät der OcCC. Die Finanzierung könnte mittelfristig durch die CO2-Abgabe auf Treibstoffen sichergestellt werden. Wünschenswert wäre auch die Beschränkung des Verkehrsaufkommens.
Andere Empfehlungen zielen auf Bauvorhaben ab, die auf ihre Nachhaltigkeit geprüft werden sollten. Auch Landwirtschaft und Tourismus müssten ihren Beitrag leisten. Damit die Klimapolitik konkreter werden könne, müssten regionale und kommunale Akteure bei der Umsetzung mehr in die Pflicht genommen werden, schlägt das OcCC weiter vor.
«Chancen des Neuen»
Der Wandel sei nur machbar, «wenn die Mehrheit der Bevölkerung von den Gefahren des ‚Weiter wie bisher‘ und den ‚Chancen des Neuen‘ überzeugt» werden könne, halten die Fachleute fest. Sie schlagen eine Sensibilisierungskampagne vor, etwa nach dem Vorbild der Aids-Kampagne. Damit soll die Bevölkerung dem gesellschaftlichen Wandel mit der Zeit offener gegenüberstehen.
Das Expertengremium stellt sich in seinem jüngsten Bericht auch dem Vorwurf entgegen, Klimaziele und Wirtschaftswachstum seien unvereinbar. «Die beiden Ziele ergänzen sich, ja bedingen sich auf lange Sicht sogar», schlussfolgern die Autoren.
Für die Wirtschaft könne der Wandel eine Chance sein. Schliesslich habe die Schweiz aufgrund ihres hohen Innovationspotenzials und des Zugangs zu neuen Technologien durch die Forschung einen Vorsprung. Es gelte, eine Vorreiterrolle zu übernehmen.
Eine führende Position würde der Schweiz auch bei den Verhandlungen in internationalen Organisationen gut anstehen, schreibt das OcCC weiter. Mit einem Einfuhrverbot für nicht-zertifizierte Hölzer könnte sie etwa demonstrieren, dass sie sich dem Klimaschutz verpflichtet sieht.
Selbst wenn andere Länder nicht mitziehen sollten, müsse die Schweiz mehr anstreben. «Ein Bekenntnis der Schweiz, in der internationalen Klimapolitik vorne mitzuziehen, kann den globalen Prozess beschleunigen», hält der Bericht fest.
Bundesrat legt sich noch nicht fest
Umweltministerin Doris Leuthard wurde im Juni vom OcCC über deren Empfehlungen informiert, wie das UVEK auf Anfrage bestätigte. Die Bundesrätin sei daran, die Grundlagen für die nationale Klimapolitik nach 2020 zu erarbeiten. Es sei noch zu früh, sich inhaltlich zu positionieren.
Dennoch sei der Bundesrat nicht untätig. In seiner Energiestrategie 2050 will er zum Beispiel die CO2-Vorschriften für Neuwagen verschärfen und auf Nutzfahrzeuge und Lieferwagen ausdehnen, wie das UVEK schreibt.