Die Autorin Emily Brontë war der Zeit um Jahre voraus. Sie war eine Pionierin der romanesken Montagetechnik. Ihr Roman Sturmhöhe (Originaltitel: Wuthering Heights) polarisierte: Während die Autorin soziale Gewalt detailliert schilderte, verweigerte sie eine persönliche Stellungsnahme: Schlüsse überliess sie der Leserschaft. Die fühlte sich allein gelassen. Oder ernst genommen.
Die Autorin Emily Brontë war der Zeit um Jahre voraus. Sie war eine Pionierin der romanesken Montagetechnik. Ihr Roman Sturmhöhe (Originaltitel: Wuthering Heights) polarisierte: Während die Autorin soziale Gewalt detailliert schilderte, verweigerte sie eine persönliche Stellungsnahme: Schlüsse überliess sie der Leserschaft. Die fühlte sich allein gelassen. Oder ernst genommen.
Der Kern des Romans, die Amour fou zwischen Heathcliff und seiner Stiefschwester, hat schon mehrfach den Weg auf die Leinwand gefunden (u.a. haben sich Buñuel und Rivette inspirieren lassen – Laurence Olivier und Juliette Binoche haben darin brilliert). Jetzt hat ihn Andrea Arnold neu gelesen, die wir von Fish Tank kennen. Das verspricht viel Feingefühl.
Arnold beweist die erneut, und erneut sehr heutig: Sie seziert die psychologische Tiefe der Figuren, ohne die Naturschilderungen zu vernachlässigen. Sie setzt die Figuren in wuchtigen Bildern der Härte der Naur aus, die doch letzlich menschengemacht ist: Heathcliff, das Findelkind, entwickelt sich neben der Bauerntochter Cathy zum geprügelten Hund. Stolz, stumm, wehrhaft. Während die Verhltnisse um die beiden immer schwieriger werden, öffnet sich dem Flüchtling Heathcliff als Arbeitssklave immer mehr das ausweglose Leben der einheimischen Cathy. Heathcliff holt die Leihschwester, wie deren zweite Natur, aus der Lethargie. Bis sich la Belle et la Bête finden. Zwei Gefangene ihrer Verhältnisse.
Dann trennen sich ihre Wege. Die Schicksale scheinen voneinander gelöst. Doch der Mensch schlägt zurück. Heathcliff kehrt als gemachter Mann nach Wuthering Heights zurück. Aber auch in dem gemachten Mann wuchern die menschengemachten Geschwüre weiter. Wer ist jetzt von beiden der Mensch: Der Prügelnde oder der Geprügelte? Wie einst die Brontë wertet auch die Arnold kaum die Handlungen ihrer Figuren. Sie lässt den ehemaligen Flüchtling sein Ziel erreichen. Sie lässt ihn die (unglückliche?) Ehe der Cathy zerstören. Sie bleibt unerbittlich distanziert in ihrer Schilderung. Sie zeigt mit ihrer Crew von britischen Schauspielerinnen, dass es auf den englischen Bühne immer wieder grosse Könnerinnen fürs Kino zu entdecken gibt. Ihre Darstellungen, die Geschichte, die exzessiven Naturbilder und der Sog der Rache machen den Film zu einem klugen Gemisch: Kostümschinken, wuchtige Romantik, Naturmystik und ein Schuss Flüchtlingselend runden den Cocktail ab. Zum Taschentuch werden Sie trotzdem kaum greifen müssen. Dazu bleibt die Schilderung zu distanziert. Aber Sie werden auch nicht eine voreilige Meinung entwickeln können. Zu nah geht der unausweichliche Lauf der Dinge.