Die Europäische Zentralbank verschärft ihren Krisenkurs: Erstmals müssen Banken einen Strafzins zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, statt mit Krediten die Wirtschaft anzukurbeln. Zudem senkt sie im Kampf gegen Konjunkturflaute und drohende Deflation den Leitzins.
Dieser sinkt von 0,25 Prozent auf das Rekordtief von 0,15 Prozent, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Damit wird das Geld im Euroraum so billig wie nie zuvor.
Um die Kreditklemme in vielen Krisenländern im Süden der Währungsunion aufzubrechen, erhebt die EZB künftig als weitere Massnahme erstmals einen Strafzins von 0,10 Prozent von Banken, die Geld lieber bei ihr parken als es an Firmen und Haushalte weiterzugeben. Dies soll, so das Kalkül, neue Investitionen nach sich ziehen und die Gefahr einer Deflation zusätzlich senken.
Doch der negative Einlagenzins ist umstritten: Ökonomen befürchten, dass die Banken die Strafgebühr auf ihre Kunden abwälzen könnten. Zum Höhepunkt der Staatsschuldenkrise im Juli 2012 hatte die EZB den Einlagenzins um 0,25 Prozentpunkte auf 0,0 Prozent gesenkt.
Nebst diesen beiden geldpolitischen Instrumenten kündigte die Notenbank weitere unkonventionelle Schritte an. Details sollten noch am Donnerstag bekanntgegeben werden, sagte ein Sprecher.
Währungshüter machen ernst
Nach monatelangem Zögern machen die Währungshüter damit im Kampf gegen den gefährlich niedrigen Preisauftrieb ernst. Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite und Investitionen und kurbeln so die Wirtschaft an. Das stärkt in der Regel den Preisauftrieb. Auch der negative Einlagenzins soll die Inflation antreiben: Indem er den Euro schwächt und so Importe verteuert.
Im Mai war die Jahresteuerung im Euroraum wieder auf 0,5 Prozent gesunken. Sie liegt damit deutlich unterhalb der Zielmarke der EZB von knapp unter 2,0 Prozent. «Wir werden nicht zulassen, dass die Inflation zu lange auf zu niedrigem Niveau bleibt», hatte Draghi erst in der vergangenen Woche bei einer EZB-Konferenz im portugiesischen Sintra klargestellt.
Denn der geringe Preisauftrieb schürt Sorgen vor einer Deflation, also einer Abwärtsspirale der Preise quer durch alle Warengruppen. Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen und Anschaffungen in Erwartung weiter sinkender Preise hinauszögern. Das würde die ohnehin fragile Konjunkturerholung in Europa abwürgen.
Franken schwächt sich minim ab
Am Devisenmarkt hat sich der Franken zum Euro in der Folge minim abgeschwächt. Zum US-Dollar hat der Franken jedoch stärker nachgegeben – die US-Währung notiert aktuell nur noch knapp unter der Marke von 0,90 Franken. Derweil hat der Schweizer Aktienmarkt auf den Zinsentscheid unter dem Strich kaum reagiert.