Facebook hat nach massiven Zensurvorwürfen im Zusammenhang mit einem weltberühmten Foto aus dem Vietnamkrieg eingelenkt: Das Bild eines nackt vor einem Napalm-Angriff fliehenden Mädchens werde fortan nicht mehr von den Seiten der Nutzer gelöscht.
Das teilte das Online-Netzwerk am Freitag mit. Das Foto sei ein wichtiges historisches Dokument und dürfte daher wieder auf Facebook geteilt werden. Die Richtlinien würden nun angepasst, so dass das Bild in den kommenden Tagen wieder hochgeladen werden könne, erklärte ein Facebook-Sprecher in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur AFP.
Das Foto war unter anderem von den Facebook-Profilen der norwegischen Ministerpräsidentin Erna Solberg und Norwegens grösster Zeitung «Aftenposten» entfernt worden – angeblich wegen zu viel Nacktheit.
Das bekannte Bild zeigt die Vietnamesin Kim Phuc, die während des Vietnamkriegs als Neunjährige nackt und vor Schmerzen schreiend vor einem US-Napalm-Angriff flüchtet – sie hatte sich die brennenden Kleider vom Leib gerissen . Der Fotograf Nick Ut wurde für die Aufnahme mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Die Zeitung «Aftenposten» warf Facebook Zensur vor, nachdem das berühmtes Foto aus dem Vietnamkrieg von der Seite des Blatts beim Online-Netzwerk gelöscht wurde. Das Bild verstosse gegen die Regeln zu Nacktheit, hatte Facebook den Schritt begründet.
Offener Brief
Am Freitag veröffentlichte «Aftenposten» einen offenen Brief an Facebook-Chef Mark Zuckerberg, in dem sich «Aftenposten»-Chefredaktor Espen Egil Hansen gegen die Massnahme wehrte.
«Ich finde, dass Sie Ihre Macht missbrauchen, und ich tue mich schwer damit zu glauben, dass Sie das gründlich durchdacht haben», schrieb der Journalist. Er sei «verärgert, enttäuscht» und besorgt darüber, dass «das wichtigste Medium der Welt Freiheit einschränkt anstatt zu versuchen, sie auszuweiten, und dass das gelegentlich auf eine autoritäre Weise passiert».
Facebook erklärte zunächst in einer Reaktion am Freitag, es sei schwierig, bei Fotografien mit nackten Kindern einen Unterschied zu machen und die Veröffentlichung in einem Fall zu erlauben und in einem anderen nicht.
«Wir versuchen, die richtige Balance zu finden zwischen der Möglichkeit für Menschen, sich auszudrücken, und einer sicheren und respektvollen Umgebung für unsere globale Gemeinschaft. Unsere Lösungen werden nicht immer perfekt sein, aber wir werden versuchen, unsere Regeln und die Art, wie wir sie anwenden, zu verbessern.»
Protest auch von Ministerpräsidentin
Die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg veröffentlichte am Freitag das Vietnam-Bild aus Solidarität ebenfalls auf ihrer Facebookseite.
Sie «schätze die Arbeit von Facebook und anderer Medien», um die Verbreitung unangemessener Inhalte zu stoppen, schrieb Solberg dazu. «Aber Facebook schlägt den falschen Weg ein, wenn es solche Fotos zensiert.» Damit bremse Facebook die Meinungsfreiheit aus. Kurz darauf war das Bild von Solbergs Facebookseite wieder verschwunden. Wer das Foto entfernt hat, war zunächst unklar.
Die Aufforderung an die Zeitung, das Bild zu entfernen, sei am Mittwochmorgen in Form einer E-Mail vom Hamburger Facebook-Büro gekommen, erklärte der «Aftenposten»-Chefredaktor.
«Weniger als 24 Stunden, nachdem die E-Mail abgeschickt worden war, und bevor ich Zeit hatte, zu antworten, sind Sie selbst eingeschritten und haben den Artikel und das Bild von der Facebookseite von »Aftenposten« entfernt», schrieb Egil Hansen.
In dem Artikel auf der Facebook-Seite hatte die Zeitung über den norwegischen Autor Tom Egeland berichtet, den das soziale Netzwerk vor einigen Wochen blockiert hatte, nachdem er sieben berühmte Kriegsfotos – darunter das mit dem nackten Mädchen – auf seiner Facebook-Seite gepostet hatte. Wegen der Veröffentlichung erlitt die Zeitung nun dasselbe Schicksal.
Zensur befürchtet
Es ist nicht das erste Mal, dass Facebook Fotos oder Abbildungen von Kunstwerken entfernt, weil sie gegen Richtlinien des Online-Netzwerks zur Abbildung von Nacktheit oder Gewalt verstiessen.
Da für immer mehr Menschen Online-Netzwerke zu einer zentralen Nachrichtenquelle werden, gibt es unter anderem in der Medienbranche grosse Sorgen, das Informationen sie nur noch gefiltert erreichen, sei es durch Software-Algorithmen oder Facebook-Mitarbeiter, die mit der Einhaltung der Regeln betraut sind.
«Es geht nicht an, dass wir uns nach Moralvorgaben aus Silicon Valley richten müssen», twitterte Mathias Müller von Blumencron, Chefredaktor Digitale Medien der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Er sprach von einem «Sündenfall von Facebook».