Fachleute gingen bisher davon aus, dass in der Schweiz 80’000 bis 100’000 Menschen mit Sehbehinderung leben. Tatsächlich dürften es aber rund 325’000 sein. Auf die neue Zahl kommt der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen (SZB) im Rahmen von Untersuchungen.
Von den rund 325’000 sehbehinderten Menschen sind schätzungsweise 10’000 ganz blind, wie der SZB am Montag mitteilte. Die anderen haben noch ein Sehvermögen, auf das sie mehr oder weniger stark zurückgreifen können. Dabei gilt als sehbehindert, wer sich ohne Hilfsmittel kaum oder gar nicht zurechtfindet.
Alle neueren Forschungen weisen laut SZB darauf hin, dass insbesondere Sehbehinderungen im Alter viel häufiger vorkommen als bisher angenommen. Vor allem die Personen, die erst im Rentenalter eine Sehschädigung erfahren haben, wurden lange nicht erfasst, ebensowenig wie zahlreiche Migrantinnen und Migranten.
Ältere Menschen eher sehbehindert
Generell kann gesagt werden, dass ältere Menschen eher an einer Sehbehinderung leiden als jüngere. Unter den Kindern und Jugendlichen sind schätzungsweise ein halbes Prozent sehbehindert, was einer absoluten Zahl von rund 5000 entspricht. Diese Kinder brauchten eine gezielte Unterstützung, fordert der SZB.
Bei den 20- bis 39-Jährigen sind 1,3 Prozent von einer Sehschädigung betroffen, bei den 40- bis 59-Jährigen 3,7 Prozent und bei den 60- bis 79-Jährigen bereits 8,9 Prozent. Gar bei 20,5 Prozent liegt der Anteil Sehbehinderter bei Menschen über 80 Jahre. Bei den über 90-Jährigen ist fast die Hälfte sehbehindert.
Der Dachverband geht davon aus, die Anzahl blinder und sehbehinderter Menschen in den nächsten Jahren nochmals kräftig ansteigen wird. Grund dafür seien die bevölkerungsstarken Jahrgänge der Nachkriegsjahre.
So prognostiziert der SZB für das Jahr 2022 um die 400’000 und nochmals zehn Jahre später etwa 430’000 blinde und sehbehinderte Personen in der Schweiz. Nach 2032 könnten diese Zahlen wieder zurückgehen, einerseits aus demographischen Gründen, andererseits wegen therapeutischer Fortschritte.
Mit Demenz verwechselt
Weiter macht der SZB darauf aufmerksam, dass Sehbehinderungen oft über Jahre verneint oder kaschiert werden. Bei älteren Menschen werde zudem eine Sehbehinderung nicht selten mit dem Beginn einer Demenz verwechselt. Hier sei das Umfeld gefordert, mögliche Sehbehinderungen festzustellen, ebenso wie bei Kindern und Menschen mit einer geistigen Behinderung.
Die bisherigen, aus den späten 90er-Jahren stammenden Annahmen zur Zahl der sehbehinderten Menschen in der Schweiz stützten sich auf die Umrechnung von US-amerikanischen Studien. Die nun vorliegende Untersuchung berücksichtigt alle schweizerischen Statistiken. Zudem wurden mehrere Studien aus dem In- und Ausland beigezogen.