Der FC Zürich hat die Qualität und das Selbstvertrauen, um im Europacup weiter Schlagzeilen zu liefern. Der Cupsieger will den spanischen Topklub Villarreal düpieren und die K.o.-Phase erreichen.
Uli Forte spricht im europäischen Kontext von einem schmalen Grat. Vor dem Format der internationalen Bühne hat der FCZ-Coach Respekt. Er weiss, dass die Grössenordnung nicht einmal ansatzweise mit dem alltäglichen Rahmen zu vergleichen ist. «Der Europacup ist nochmals eine ganz andere Kategorie. Deshalb hätte wohl niemand für möglich gehalten, dass wir zwei Runden vor Schluss noch alle Optionen besitzen.»
Sollte der rumänische Rekordmeister Steaua auch am 5. Spieltag nicht in Fahrt kommen, könnte der gegenwärtig zweitklassierte FCZ mit einem Sieg ohne Gegentor Geschichte schreiben. Seit der Einführung des Europa-League-Formats hat kein Zweitligist die Knock-out-Phase erreicht. Sollte der Stadtklub den Coup schaffen, wäre Fortes Einschätzung innert Kürze druckreif: «Bombastisch und genial!»
Aufbruchstimmung statt Kollateralschaden
Die Challenge League ist für den ungeschlagenen FCZ nach lediglich 15 Runden keine Herausforderung mehr. 42 Treffer hat der prominente Absteiger gegen die mehrheitlich überforderten Konkurrenten geschossen, in Genf und gegen den FC Aarau zuletzt zehn in 180 Minuten. Mit dem erstklassigen Rhythmus vermag in der zweiten Klasse niemand mehr mitzuhalten; das zweitplatzierte Neuchâtel Xamax ist bereits um zehn Punkte distanziert.
Vom alarmierenden Zustand im letzten Frühling, als auf dem sportlichen Tiefpunkt ein unabsehbarer Kollateral- und Imageschaden drohte, ist nichts mehr wahrnehmbar. Die vollumfängliche Zerrüttung blieb aus, die Anhänger schöpfen wieder Hoffnung. Forte spürt eine «Aufbruchstimmung», die Zuschauerzahlen belegen seine Einschätzung. Für die acht Meisterschafts-Heimspiele setzte Zürich 78’450 Tickets ab – mehr als ein Drittel der Challenge-League-Konsumenten bezahlten im Herbst im Letzigrund Eintritt.
«Wir sind mit dem bisherigen Verlauf sehr zufrieden, aber es liegt noch mehr drin. Es kommt nicht infrage, einen Gang zurückzuschalten», gibt Forte die strikte Linie vor. Er sei von der positiven Entwicklung nicht überrascht: «Die Mannschaft hat Charakter und Talent.» Sie sei einerseits bereit, im teilweise rustikalen Tagesgeschäft fernab der Komfortzone die Härte limitierter Gegner auszuhalten, zum anderen sei die schwierige Umstellung auf das markant höhere Europacup-Niveau ausnahmslos gut gelungen.
Beim permanenten Tapetenwechsel kommen der Equipe womöglich auch ihre Systemsicherheit und Routine zupass. Forte setzt in der Regel auf einen achtköpfigen Ü27-Stamm, den er je nach Konstellation erweitert. Trotz respektabler Kadergrösse verzichtet der Trainer auf eine allzu gleichmässige Verteilung der Einsatzzeit. Rotation ist für ihn keine Frage des Prinzips, Forte bevorzugt ein stabiles Gerüst. «Ich muss so arbeiten. Für personelle Experimente ist kein Platz vorhanden.»
Der Erfolgsdruck ist angesichts des üppigen Haushalts von über 20 Millionen Franken beträchtlich. «Die Aufgabe ist riesig», sagt Forte – die Aufstiegspflicht ebenso. Die formidable Entwicklung im Kernbereich vereinfachte selbstredend das Kürprogramm in der Europa League. Seit dem 1:2 im El Madrigal gegen Villarreal ist der FCZ ungeschlagen und hat sich in der schwierigen Gruppe L eine vorzügliche Ausgangslage erarbeitet.
Villarreals Versionen
Spanische Widersacher sind per se hoch einzuschätzen. Die Vertreter der Primera Division führen das UEFA-Ranking mit deutlichem Abstand an. Villarreal, 2006 Champions-League-Halbfinalist, hat bislang alle Gruppenphasen im zweitwichtigsten europäischen Wettbewerb überstanden. Der Halbfinalist der letzten Saison gehört in Spanien inzwischen zur Spitze. Die Heimspielstatistik führt «El Submarino Amarillo» vor Real Madrid an. Die Auswärts-Version hingegen ist weniger beeindruckend. Die Auswahl mit der aktuell besten Liga-Defensive kommt weder in Spanien noch im internationalen Vergleich auf Touren – nur ein Sieg resultierte in acht Anläufen.