Roger Federer gewinnt das Masters-1000-Turnier in Schanghai und schafft damit seinen 81. Turniersieg. Der Schweizer setzt sich 7:6 (8:6), 7:6 (7:2) gegen den Franzosen Gilles Simon durch.
Die Sterne schienen diese Woche in Schanghai definitiv für Roger Federer. Nichts schien mehr schief gehen zu können, nachdem er bereits im ersten Spiel wenige Zentimeter vor dem Aus gestanden hatte. Auch im Final gegen Gilles Simon (ATP 29) stand er mehrere Male mit dem Rücken zur Wand – und befreite sich wie ein echter Houdini aus jeder misslichen Lage. Der 33-jährige Basler überzeugte diesmal nicht mit dem makellosen Hochgeschwindigkeits-Tennis vom Halbfinalsieg am Samstag gegen Novak Djokovic, sondern durch Hartnäckigkeit, Nervenstärke und die richtige Taktik.
Federer musste in beiden Sätzen mindestens einen Satzball abwehren. Nach einem – trotz des wegen Regens geschlossenen Daches – Kaltstart gab er schon im ersten Game seinen Aufschlag ab – etwas, was Djokovic nie geschafft hatte. Der äusserst intelligent spielende Simon zwang Federer in deutlich längere Ballwechsel als am Vortag die Weltnummer 1. Doch der Schweizer hatte sich gemeinsam mit Coach Severin Lüthi offensichtlich auf diese Möglichkeit eingestellt. Er stellte sich immer besser auf Simons Spiel ein und zeigte die nötige Geduld.
Dennoch brauchte es einen eigentlichen Blackout des sonst so soliden Franzosen, um in den Satz zurückzukehren. Bei 5:4 produzierte Simon, ein miserables Aufschlagspiel und gab den Vorteil wieder preis. Wenig später wehrte er aber bei 5:6 und 15:40 zwei Satzbälle ab und rettete sich ins Tiebreak. Dort erarbeitete er sich bei 6:5 selber einen Satzball, den Federer mit einem Service-Winner abwehrte. Mit einem perfekten Rückhand-Passierball holte sich der Schweizer, der ab heute Montag wieder die Nummer 2 der Welt ist, mit 8:6 den ersten Satz.
Im zweiten Durchgang gelang Federer trotz einigen Chancen und einem Simon, der durch Leistenschmerzen leicht handicapiert wirkte, kein Break. Bei 5:6, 15:40 sah er sich sogar selber zwei Satzbällen gegenüber, die er mit einem Aufschlag-Winner und dank eines Fehlers von Simon abwehrte. In dieser Woche konnte in den entscheidenden Momenten offensichtlich nichts schief gehen für den Basler. Der 17-fache Grand-Slam-Champion machte es dann besser. Nach knapp zwei Stunden verwertete er im Tiebreak gleich seinen ersten Matchball zum 7:2. Dass er nur einen von sieben Breakbällen genützt hatte, war damit nur noch eine Randnotiz.
Danach sprach Federer von «einer Traumwoche», nachdem er lange gezögert hatte, nach seinen Ferien – und angesichts eines reich befrachteten Programms in diesem Herbst – überhaupt die lange Reise nach China anzutreten. Er wurde für seine Entscheidung fürstlich belohnt. Er sprach auch an, wie glücklich er im ersten Spiel gegen Leonardo Mayer bei seinen fünf abgewehrten Matchbällen gewesen sei. Nicht nur gewann er erstmals (nach zwei Siegen an gleicher Stelle an den ATP-Finals) das Masters-1000-Turnier in Schanghai, er demontierte im Halbfinal mit einer brillanten Vorstellung die Nummer 1 und kann damit sogar mit der Rückeroberung der Weltranglisten-Spitze liebäugeln.
Federer hat 2014 nur 990 Punkte weniger gewonnen als Djokovic. Bis Ende Jahr kann er im Idealfall 3190 Zähler (500 in Basel, 1000 in Paris-Bercy, 1500 an den ATP-Finals, 190 am Davis-Cup-Final) dazugewinnen. Der Serbe hingegen tritt nur noch in Bercy und an den ATP-Finals in London an, holt also maximal noch 2500 Punkte. Wenn er denn nicht angesichts des nahenden Geburtstermins seines ersten Kindes noch einen Event auslässt. Letztmals stand Federer am 29. Oktober 2012 auf Platz 1, im März dieses Jahres war er noch auf Position 8 gestanden. Auch er könnte allerdings noch Paris-Bercy absagen.
Insgesamt gewann er in Schanghai seinen 81. ATP-Titel, den vierten in diesem Jahr nach Dubai, Halle und Cincinnati und 798’540 Dollar Preisgeld. Vor ihm liegen noch Jimmy Connors (109) und Ivan Lendl (94 Titel).