In der Reprise des letztjährigen Finals spielt Roger Federer heute Sonntag (ab 15 Uhr) gegen Novak Djokovic um seinen achten Wimbledon-Titel.
Nach dem Glanzauftritt im Halbfinal gegen Andy Murray ist dem Baselbieter der ganz grosse Coup zuzutrauen. Mit seinem Auftritt beim 7:5, 7:5, 6:4 im Halbfinal gegen Andy Murray am späten Freitagnachmittag hatte Roger Federer wieder einmal die Tennis-Welt fasziniert. Der bald 34-jährige Baselbieter verzückte nicht nur die 15’000 Zuschauer auf dem Centre Court und die Fans vor den TV-Bildschirmen, er beeindruckte auch die Experten und ehemaligen Grössen, die sich im «Tennis-Mekka» in so hoher Zahl wie sonst nirgends einfinden. Nicht mancher hatte Federer eine solche Leistung zugetraut. Sie erinnerte an die Auftritte Mitte der Nullerjahre, als Federer die Tour beinahe nach Belieben dominierte.
Vor allem mit dem Service verblüffte Federer alle. Murray mochte sich nach der Partie nicht erinnern, dass der Schweizer gegen ihn einmal so gut aufgeschlagen hatte. Und auch Andy Roddick, der Federer 2009 in einem epischen Final mit 14:16 im fünften Satz unterlegen war, ist überzeugt, dass der Schweizer damals – trotz 50 Assen – nicht so gut aufgeschlagen habe wie gegen Murray. «Wenn er so gewaltig gut serviert, spielt es keine Rolle, gegen wen er spielt», sagte SRF-Experte und Fedcup-Captain Heinz Günthardt.
Vor allem von der Konstanz der Aufschläge Federers in diesem Turnier zeigte sich Günthardt beeindruckt. Gegen Gilles Simon brachte Federer 73 Prozent der ersten Aufschläge ins Feld, gegen Murray sogar 76 Prozent. Neben dem ersten funktionierte bislang auch der zweite Aufschlag ausgezeichnet, nur fünf Doppelfehler und ein einziges Break sind Beleg dafür. «Das gibt Luft und erlaubt dir, bei den Return-Games mehr zu riskieren», so Günthardt. Dank seiner Aufschlagstärke übernahm Federer gegen Murray im Verlauf der Partie auch von der Grundlinie immer mehr die Kontrolle. Am Ende wies die Statistik bei nur elf einfachen Fehlern 56 Gewinnschläge aus.
Djokovics unheimliche Konstanz
Mit Novak Djokovic wartet im Final nun allerdings der derzeit beste Spieler auf Federer. Der Weltranglisten-Erste, ein ähnlicher Spielertyp wie Murray, ist seit Jahren der konstanteste Spieler auf der Tour und bestreitet heute seinen 15. Grand-Slam-Final innerhalb von fünf Jahren, den vierten in Wimbledon. Der Serbe war nach dem Halbfinal-Sieg gegen Richard Gasquet voll des Lobes über Federer. «Er hat mich zu einem besseren Spieler gemacht. In den grossen Spielen gegen ihn habe ich emotional viel durchgemacht», so Djokovic. Dadurch habe er gelernt, was es brauche, um solche Spiele und Grand-Slam-Turniere zu gewinnen.
Federer, der in den letzten fünf Jahren nur noch einen Major-Titel gewonnen hat, schätzt seinen heutigen Gegner etwas gefährlicher ein als Murray, da Djokovic offensiver spielt. Der Serbe schaffe es zudem, den ersten Aufschlag länger zu retournieren. Für Günthardt kann Djokovic mehr Druck von der Grundlinie erzeugen als Murray, restlos zu überzeugen vermochte der Serbe den ehemaligen Profi bislang in Wimbledon allerdings nicht. «Gegen Anderson wirkte er nervös und passiv», so Günthardt. Federer habe bislang das bessere Turnier gespielt.
Auch wenn Federer bei den Wettanbietern weiterhin als Aussenseiter gehandelt wird, sieht Günthardt Federer im Final leicht im Vorteil, «aber es wird eng». Der Schlüssel zum Sieg liegt in Federers Aufschlag. Wenn es Djokovic schaffe, Federer bei dessen Aufschlag zum Tennisspielen zu zwingen, dann steigen die Chancen des Serben, so Günthardt. «Federer hat in der Vergangenheit vor allem jene Spiele gegen Djokovic verloren, in denen der Ball oft im Spiel war.»
In der Neuauflage des letztjährigen Finals und im 40. Duell gegen Djokovic (20:19 Siege) bietet sich Federer die Chance, mit dem achten Erfolg an der Church Road alleiniger Rekordhalter zu werden. Für Federer stehen die Einträge in die Geschichtsbücher in seinem zehnten Wimbledon-Final allerdings nicht im Vordergrund. «Ob es mein erster oder achter Titel wäre, ist mir egal. Wichtig ist, dass ich die Möglichkeit habe, den Wimbledon-Titel zu gewinnen.» Die Lieblingszahl Federers, der am 8. 8. 1981 geboren ist, ist die 8. Sie könnte für heute ein gutes Omen sein.