Forscher züchten Hirn, Darm und Nieren im Reagenzglas

Aus menschlichen Stammzellen züchten Forscher seit kurzem hirn-, darm- und nierenähnliche «Organoide» im Labor. Damit können sie Krankheiten erforschen, Medikamente testen und in Zukunft vielleicht Ersatzteile für Transplantationen bereitstellen.

Ausstellungsbesucherin betrachtet ein echtes, menschliches Gehirn (Bild: sda)

Aus menschlichen Stammzellen züchten Forscher seit kurzem hirn-, darm- und nierenähnliche «Organoide» im Labor. Damit können sie Krankheiten erforschen, Medikamente testen und in Zukunft vielleicht Ersatzteile für Transplantationen bereitstellen.

Österreichischen Forschern ist es gelungen aus menschlichen Stammzellen hirn-, darm- und nierenähnliche «Organoide» im Labor zu züchten. Die Züchtung erfolgt seit kurzem, wie die Wissenschaftler in einem Statusbericht in der Freitagsausgabe des Fachjournals «Science» mitteilen.

Zu Beginn habe man lediglich aus Stammzellen in flachen Kulturschalen einen einzigen Gewebetyp erzeugt. Inzwischen habe man jedoch damit begonnen, dreidimensionale Zellkulturen mit unterschiedlichen Zelltypen eines Organs zu züchten.

Diese könne man als «Organoide» bezeichnen, wenn sie ausserdem einige Funktionen des jeweiligen Organs erfüllen und auch ähnlich wie dieses aufgebaut sind, schreiben Madeline Lancaster und Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in dem Artikel.

Organoide züchtet man im Labor in einem «Bioreaktor». Das Ausgangsgewebe wird in eine gelatineartige Substanz namens «Matrigel» gesteckt, die die natürliche Umgebung der Zellen nachahmt und von Nährlösung umspült wird.

Zufällig arrangiertes «Mini-Hirn»

Was bei den aktuellen Organoiden noch nicht so ganz funktioniert, ist die korrekte Anordnung der Einzelteile. So hatten von Lancaster und Knoblich vor kurzem im Labor gezüchteten «Mini-Hirne» zwar die einzelnen, dem menschlichen Hirn entsprechenden Regionen, diese waren aber zufällig zueinander angeordnet.

Mit einigen Organoiden würde man bereits jetzt die Entwicklung von Organen und Krankheiten untersuchen, berichteten die Forscher – zum Beispiel Infektionskrankheiten und Tumore mit Hilfe von Darm-Organoiden. Von Hirn-Nachbauten erhoffen sich die Forscher Erkenntnisse über Krankheiten wie Autismus, Schizophrenie oder Alzheimer. Aber auch Medikamente liessen sich an Organoiden finden und auf ihre Nebenwirkungen testen.

Schliesslich hätten die gezüchteten Organe auch das Potenzial, früher oder später als «menschliche Ersatzteile» zu dienen, die bei Transplantationen eingesetzt werden. Dabei gäbe es zwar noch viele Hürden, aber mit Mäuseleber-Organoiden habe man zum Beispiel bereits gezeigt, dass eine Transplantation die Sterblichkeit von leberkranken Mäusen verringert.

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