Frankreich belegte den ersten Platz in der Schweizer WM-Gruppe, aber in den Augen von Trainer Didier Deschamps ist dies kein Grund, übermütig zu werden. Es sei noch nichts gewonnen, sagt er.
Während die französischen Fans vom zweiten WM-Titel nach 1998 (damals im eigenen Land) träumen, warnt Didier Deschamps ausdrücklich vor verfrühter Euphorie.
Der fade Auftritt zum Vorrunden-Ende beim 0:0 gegen Ecuador kam Deschamps gerade recht. Nach den ersten Titel-Träumen holte Frankreichs Trainer die Fans zurück in die Realität – nur seine Spieler hielten sich nicht an das Understatement. «Manche haben gedacht, dass wir die Könige der Welt sind, aber vergesst nicht, dass andere auch Qualitäten haben», warnte Deschamps vor dem Achtelfinale am Montag gegen Aussenseiter Nigeria.
Das enttäuschende 0:0 gegen Ecuador, mit dem Karim Benzema & Co. in Rios legendärem Estadio do Maracanã das Weiterkommen als Gruppensieger perfekt machten, war für Deschamps der willkommene Realitäts-Check. «Wir wollen unsere Arbeit beenden und unsere Dynamik aufrechterhalten, aber wir haben noch nichts erreicht», sagte Deschamps, in der Hoffnung, die überbordende Euphorie um sein Team einfangen zu können. Frankreichs Präsident François Hollande liess sich davon nicht beeindrucken und twitterte Glückwunsche an die Mannschaft.
«Gebremst, aber Erste», titelte «L’Équipe» am Donnerstag. Und dennoch wurde der frühere Weltmeister immer wieder mit dem weiteren Turnierverlauf konfrontiert: Zuerst die afrikanischen Super Eagles, danach im Viertelfinal eventuell Deutschland, vielleicht sogar ein Aufeinandertreffen mit Brasilien? «Lasst uns doch jedes Spiel nacheinander angehen», flehte Deschamps. «Nigeria hat ein solides und schnelles Team, deshalb wird das ein sehr harter Match.»
Vor allem wenn die Aussetzer von zwei Säulen seiner Mannschaft Konsequenzen nach sich ziehen sollten. In der Anfangsphase donnerte Innenverteidiger Mamadou Sakho seinem Gegenspieler Oswaldo Minto den linken Ellbogen ins Gesicht, gegen Ende leistete sich Stürmer Olivier Giroud ein ähnliches, wenn auch weniger brutales Vergehen gegen Gabriel Achilier. Beide hätten sich über Rote Karten nicht beschweren können. «Wenn sie denken, dass ich eine Strafe verdiene, sollen sie ihren Entscheid treffen. Ich respektiere immer den Gegner», sagte Sakho über potenzielle Ermittlungen des Weltverbandes FIFA und überraschte mit einer eigenwilligen Interpretation: «Ich wollte mich schützen.»
Ungeachtet dieses Fehlverhaltens dachten seine Teamkollegen nach der mit einer B-Elf erfüllten Pflichtaufgabe gegen das einzige in der Vorrunde gescheiterte Team aus Südamerika schon weiter. Warum sollte auf die zweitbeste Vorrunde ihrer WM-Geschichte nicht ein ähnlicher Coup wie 1998 gelingen, als sich die Franzosen von drei Siegen in der Vorrunde beflügeln liessen. «Wenn wir nicht daran glauben, Weltmeister zu werden, können wir auch gleich aufhören. Natürlich glauben wir daran», formulierte Mittelfeldspieler Morgan Schneiderlein nach seinem erst zweiten Länderspiel forsch.
Auch Blaise Matuidi äusserte die Hoffnung, dass «wir ins Maracana zurückkehren» – dann bei einem möglichen Final. Ein wichtiger Baustein für die Renaissance der in der Heimat lange gescholtenen Auswahl ist Coach Deschamps, der seinem Team ohne den verletzten Franck Ribéry ein junges, frisches Gesicht verpasst hat. «Er war Weltmeister, er weiss, wie so ein Team zu führen ist», schwärmte Bacary Sagna. Und im Notfall auch, wie träumende Fans zurück in die Wirklichkeit geholt werden können.