Die afghanische Regierung schliesst Frieden mit Gulbuddin Hekmatjar, einem der brutalsten Kriegsherren in der Geschichte des Landes. Ein Abkommen mit dem Anführer der radikalislamischen Gruppe Hisb-e Islami wurde am Mittwoch verkündet.
Ein Stellvertreter von Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, Mohammad Khan, sagte in einer landesweit übertragenen Medienkonferenz, es sei von Vertretern der Gruppe sowie des Hohen Friedensrates unterschrieben worden.
Hekmatjar selber, den die USA zum Terroristen erklärt hatten und der in Pakistan leben soll, war allerdings nicht nach Kabul gekommen. Möglicherweise um die vielen Gegner des Abkommens zu beschwichtigen, fügte der Regierungssprecher hinzu, dass das Papier weiter verhandelt werden könne und werde.
Der 68-jährige Hekmatjar war in den 1980er Jahren der von Saudi-Arabien und den USA bestfinanzierte Mudschaheddin-Anführer im Kampf gegen die Sowjets in Afghanistan. Im Bürgerkrieg um die Herrschaft in Kabul tötete er Tausende Zivilisten. Später leitete er mit Hisb-e Islami die nach den Taliban zweitgrösste Widerstandsgruppe gegen die afghanische Regierung und internationale Truppen.
Amnestie für Kriegsherren
Ein vierseitiger Entwurf des Abkommens, welcher der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, sichert Hisb-e Islami Immunität für «vergangene politische und militärische» Taten zu. Ausserdem würden inhaftierte Mitglieder freigelassen.
Kämpfer sollen in Polizei und Armee integriert werden. Die Regierung werde zudem helfen, in Verhandlungen mit den Vereinten Nationen die Sanktionen gegen die Bewegung aufzuheben.
Im Gegenzug verspricht Hisb-e Islami, «militärische Operationen zu stoppen» und die Verfassung zu respektieren. Hisb-e Islami werde keinerlei Kontakte zu anderen Terrororganisationen mehr unterhalten.
Die Bewegung hatte trotz Rivalitäten in der Vergangenheit punktuell mit Al-Kaida und den Taliban zusammengearbeitet. Ausserdem nimmt Hisb-e Islami laut Sprecher Khan auch Abstand von der Kernforderung nach sofortigem Abzug aller internationalen Truppen.
Gemischte Reaktionen
Die Reaktionen auf das Abkommen waren gemischt. Viele Afghanen wiesen auf die Menschenrechtsverletzungen Hekmatjars und seiner Milizen hin. Hekmatjar habe ausserdem auf dem Schlachtfeld eine zunehmend kleinere Rolle gespielt.
Ihm nun den roten Teppich auszurollen, heisse, einen gefährlichen Demagogen auf die politische Bühne zurückzubitten. Andere Beobachter sagten, die gelungene Reintegrierung von Hisb-e Islami könne andere islamistische Gruppen ermuntern, sich anzuschliessen.
Friedensverhandlungen mit der weitaus grössten Islamisten-Gruppe, den Taliban, sind aber nicht absehbar. Vertreter der Regierungen Afghanistans, Pakistans, Chinas und der USA diskutierten am Mittwoch in Islamabad, wie der Friedensprozess wiederbelebt werden könnte. Die Taliban hatten die Gesprächsangebote der Vierländergruppe abgelehnt.