Medizinisch wäre es die gerechteste und beste Lösung, nur noch in einem Schweizer Universitätsspital Herztransplantationen durchzuführen. Diese Meinung vertritt der Berner Herzchirurg Thierry Carrel. Politisch sei dies aber eine andere Angelegenheit.
Die rund 30 jährlichen Operationen in der Schweiz könnten problemlos nur von einem Spital durchgeführt werden, erklärte der Direktor der Inselspital-Uniklinik für Herz- und Gefässchirurgie in der „Samstagsrundschau“ des Schweizer Radio SRF. Das Unispital Zürich betrachte er nicht als Konkurrenten, sagte Carrel zudem im Samstagsinterview mit dem „Bund“.
Vielmehr zeige sich bei der aktuellen politischen Diskussion, dass ein Herzzentrum für ein Zentrumsspital und damit eine Einzugsregion als Ganzes sehr wichtig sei. Dass das Projekt für ein neues Herzzentrum am Inselspital nun genau in dem Jahr vorgestellt wurde, in dem ein interkantonales Gremium über den oder die künftigen Standorte für Herztransplantationen entscheidet, sei Zufall, erklärte Carrel.
Verständnis für Unmut wegen Standort-Gerangel
Er wäre aber schon froh, wenn Bern den Zuschlag erhalten würde. Für das Inselspital mache es nämlich keinen Sinn, Patienten nur für den Eingriff am Herz in ein anderes Spital zu verlagern und für die oft langjährige Nachbehandlung wieder zurückzuholen. Wenn, dann wolle man den ganzen Prozess inklusive Vorbehandlung und Operation abdecken. In Bern werden jährlich rund 15 Herztransplantationen durchgeführt.
Dass der Umgangston zwischen den drei aktuell Herztransplantationen durchführenden Schweizer Unispitälern Lausanne, Zürich und Bern in den vergangenen Wochen ruppiger geworden sei, bedauert der gebürtige Freiburger. Jedes Spital habe eben seine Argumente vorbringen wollen. Er könne sich aber gut vorstellen, dass dies bei der Bevölkerung in der Schweiz nicht unbedingt auf Verständnis gestossen sei.
Kampf um Spenderherzen bleibt bestehen
Egal wer künftig Herztransplantationen durchführen wird, der Kampf um Spenderorgane werde auch danach fortbestehen, erklärte Carrel weiter. Die Kliniken würden so oder so ihre eigenen Wartelisten behalten und versuchen, ihre „eigenen“ Patienten am besten zu platzieren. Dieses Problem werde solange bestehen bleiben, wie es in der Schweiz zu wenig Spenderorgane gebe.
Denn grundsätzlich bestehe in der Schweiz Bedarf für mindestens doppelt bis dreimal so viele Herztransplantationen pro Jahr, also 60 bis 90 Operationen. Den Grund für dieses Missverhältnis sieht der 53-Jährige darin, dass sich die Menschen ungern mit dem eigenen Tod befassten. Die Angehörigen seien dann mit der Frage der Organspende in den emotionalen Augenblicken nach dem Verlust eines geliebten Menschen schlicht überfordert.
Bis Ende Jahr entscheidet ein interkantonales Gremium, wo künftig Herztransplantationen durchgeführt werden sollen. Zur Debatte stehen die bisherigen Universitätsspitäler Bern, Zürich und Lausanne. Zweiter und zweitletzter Abschnitt entsprechend angepasst.