Wie an den WM-Endrunden 2006 und 2014 scheitert das Schweizer Team auch an der EM in Frankreich in den Achtelfinals in extremis. Der Schritt unter die Top 8 will einfach nicht gelingen.
Es ist nicht so, dass Schweizer Fussballer versagen, wenn es in die Zusatzschicht geht. Die U17 wurde 2002 Europameister durch einen Sieg im Final nach Penaltyschiessen gegen Frankreich. Die U17 schlug auf dem Weg zum WM-Titel 2009 Deutschland in der Verlängerung. Zwei Jahre später setzte sich die U21 im EM-Halbfinal gegen Tschechien ebenfalls in der «Overtime» durch.
Doch auf der Stufe der A-Nationalmannschaft ist das Scheitern auf dem Zielstrich schon fast zu einem Komplex geworden. An drei der letzten fünf Turniere verlor die Schweiz in den Achtelfinals in extremis: Vor zehn Jahren an der WM in Deutschland waren es vier Fehlschüsse gegen die Ukraine. Vor zwei Jahren in Brasilien war es das späte argentinische Gegentor und der noch spätere Kopfball von Blerim Dzemaili an den Pfosten. An der EM in Frankreich verhinderte ein Fehlschuss von Granit Xhaka im Penaltyschiessen gegen Polen den Schweizer Vorstoss in die Viertelfinals. Das Warten auf den Schritt unter die Top 8 geht auch nach Saint-Etienne weiter.
Jeder war fürs Penaltyschiessen bereit
Für Haris Seferovic fühlt sich dies «extrem traurig» an. Schlimmer sogar noch als vor zwei Jahren an der WM. «Damals hatten die Argentinier Einzelspieler, bei denen man immer damit rechnen musste, dass sie die Entscheidung würden herbeiführen können. Doch hier waren wir die bessere Mannschaft und hätten den Sieg verdient. Das Leben geht weiter, aber es ist unfair.»
Der einzige Fehlschuss unterlief ausgerechnet Xhaka, dem besten Schweizer Feldspieler an diesem Turnier. Der Stratege verarbeitete das Erlebte nur knapp eine Stunde nach dem bitteren Ende ausserordentlich souverän. «Einer muss in einem Penaltyschiessen den Fehler machen. Heute war ich es. Aber ich verspreche, ich werde beim nächsten Mal wieder hin stehen und wieder einen Penalty schiessen.»
Dieses Selbstverständnis und diese Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung hatte es beim Schweizer Team vor zehn Jahren an der WM in Deutschland nicht gegeben. Nationaltrainer Jakob Kuhn hatte damals in Köln gegen die Ukraine Mühe, fünf Penaltyschützen zu finden. Nicht so Petkovic in Saint-Etienne. «Jeder war bereit. Das zeigt die Persönlichkeit, die in dieser Mannschaft steckt», sagte Stephan Lichtsteiner.
Anders als 2006 Johan Vogel drückte sich der Captain diesmal nicht vor der Verantwortung. «Es war für mich immer klar, dass ich bei einem Penaltyschiessen antrete. Der erste Schuss ist immer heikel, also übernehme ich als Captain diese Aufgabe», so Lichtsteiner. Der Aussenverteidiger von Juventus Turin hatte zuvor auch gegen Polen kein gutes Spiel gezeigt. Doch als es drauf ankam, traf er gegen Torhüter Lukasz Fabianski souverän.
Charakter gezeigt
Am Ende steht für die Schweiz zwar das gleiche Ergebnis wie schon an den Weltmeisterschaften 1994, 2006 und 2014: Ausscheiden in den Achtelfinals. Dennoch sind sich die Schweizer Protagonisten einig darüber, dass die Mannschaft weiter ist als in der Vergangenheit. «Wir haben bis zur letzten Sekunde voll auf Sieg gespielt. Das zeigt die Fortschritte, die wir in den letzten zwei Jahren erzielt haben», fand Xhaka.
Dass man von vier Spielen keines verloren habe, sei ein weiterer Beweis, so der Mittelfeldspieler. «Ausserdem haben wir zweimal einen Rückstand aufgeholt. Wir haben an der EM Charakter gezeigt.» Für Lichtsteiner ist darum klar: «Wir können trotz allem stolz sein.» Bei Xhaka überwog dennoch die Enttäuschung. «Ich verliere lieber 0:3 nach 90 Minuten als so.» Er sagte in diesem Moment deshalb: «Fussball ist manchmal blöd.»