Future

Sie ist ein weltbekannter Geheimtipp. Ihre künstlerischen Produkte kennen fast jede Gattung: Miranda July. Mal schreibt sie, mal spielt sie, mal filmt sie, mal performt sie einfach nur ein wenig die mglichen Träume ihres Lebens. (Bild: Hansjörg Betschart) Sie ist ein weltbekannter Geheimtipp. Ihre künstlerischen Produkte kennen fast jede Gattung: Miranda July. Mal schreibt sie, […]

Sie ist ein weltbekannter Geheimtipp. Ihre künstlerischen Produkte kennen fast jede Gattung: Miranda July. Mal schreibt sie, mal spielt sie, mal filmt sie, mal performt sie einfach nur ein wenig die mglichen Träume ihres Lebens.

(Bild: Hansjörg Betschart)

Sie ist ein weltbekannter Geheimtipp. Ihre künstlerischen Produkte kennen fast jede Gattung: Miranda July. Mal schreibt sie, mal spielt sie, mal filmt sie, mal performt sie einfach nur ein wenig die Träume ihres Lebens. Man stösst auf sie in Museen, auf Bühnen, im Internet und auf Leinwänden: Sie kann einfach alles. Aber kann sie etwas richtig? Wozu? Lautet die Gegenfrage. Wenn sie schreibt, dann mit netztauglichem Sprachgebrauch, wenn sie performt, dann schon auch mal um zu filmen, wenn sie schauspielert, dann mit dem Charme einer Aquarellstudentin. Alles an ihr ist mal künstlerisch, mal künstlich, mal unnerreichbar authentisch. Eine Lady Gaga für Gutbetuchte. Eine Madonna für Feinsinnige. Man wird ihr mit keiner Umschreibung gerecht: Die Kritik steht vielleicht gerade deshalb Kopf. Kopfstehen fördert bekanntlich die Hirndurchblutung.

Da bin ich natürlich gespannt, und gehe nicht nur als Kinobesucher, sondern auch als Museumsgänger, Theaternarr, Kunstsinniger und Lyrikleser, fleze mich künstlerisch wertvoll in die Polster, und lasse mich tiefsinnig von ihren Internettänze verzaubern. Ich wage es auch, zwei, drei mal performativ zu lachen, ohne dass die Künstlerin mich wahrnimmt. Nur selten kann ich an sprachlichen Blumen schnuppern. Das Drehbuch befindet sich auf Ideenflucht: Ich kann einige erkennen, viele übersehe ich. Aber allen wohnt ein verträumter Geist inne. Der unwiderstehlicher Charme einer Person, die gar nichts von sich zeigen möchte, sondern nur ihre Selbstgespräch führen. Über ein paar Bilder bin ich richtig begeistert. Wenn Jason plötzlich die Wirklichkeit anhalten kann, damit er nicht erfahren muss, dass die geliebte Sophie fremdgeht ….Oder wenn Sophie sich ihrem Handy-Partner mit einem Schrei bemerkbar machen will, und da steht ausgerechnet Jason vor ihr …

Was kann ich zu Mirandas Spiel sagen, ausser, dass es, nun, irritiert? Spielt sie, oder ist sie, oder tu sie nur so verloren? Träumt sie mit Absicht so vor der Kamera, als gäbe es eine andere Wirklichkeit? Das reisst mich immer wieder mit, stösst auch ab: Der Grundakkord ihres Spiels ist das Selbstgespräch, ist jener „Stream of Conciousness“ den schon Joyce reklamierte, und die Surrealisten praktizierten: Dieser Innere Monolog artet leicht in Ironie aus. Das hilft, den verzweifelten Grundton der Geschichte zu verdauen, in der eine Liebe scheitert, aber das fordert mich ganz schön. Ich ertappe mich auch schon mal beim Gedanken, dass ich mir nicht vorstellen möchte, wie das wäre, wenn wir plötzlich die Selbstgespräche aller hören müssten, und ich fürchte mich ein wenig vordem Nachhauseweg in der Strassenbahn  … . .

Der Kunstbetrieb hat Miranda July vereinnahmt. Museum of Modern Art, Guggenheim sind die  feinen Adressen ihrer Nabelschau. Das Filmbusiness sucht nun mit Festivalerfolgen  (Sundance, Berlin) den Anschluss: Im Kino hat der mädchenhaft verlorene Charme von „Future“ schon seine BewundererInnen gefunden. Nach „Me and You and Everyone We Know“ ist das ein weiterer Erfolg. Miranda ist so vielseitig, dass sie auch vielschichtig betrachtet wird: Das gibt ihrem Film das, was Godard vielleicht faszinieren könnte: „J’aime pas ce film. Mais j’adore ce film comme projet de film“, pflegte er zu sagen, wenn ihn etwas Geglücktes unglücklich machte. Irgendwie ist „Future“ ein Mutmacher, für alle, die Grenzen sprengen (können). Selbergemachte Performance. Kunstvorgang, Theatermoment. Filmische Entwicklung. Meist hält Miranda July den Schwebezustand der Gattungen, strengt uns durchwegs an, aber wenn der Theaternarr in Ihnen gerade eingeschlafen ist, kann vielleicht die Lyrikliebhaberin in Ihnen kurz aufhorchen. Auf jeden Fall darf der Cinéast mit „Medianeras“ und „Future“ in den Kult.Kinos zur Zeit zwei ferne Verwandte treffen. Belohnen Sie sich mit „Medianeras“. Umgekehrt wird die Reihenfolge vielleicht zu einer Enttäuschung.

Nächster Artikel