Wegen der weiterhin fragilen Konjunkturlage haben sich die 20 grössten Wirtschaftsnationen (G20) in Moskau auf einen zaghaften Kursschwenk geeinigt: Die Sanierung der Staatsfinanzen soll vorerst hinter kurzfristigen Impulsen zur Ankurbelung der Wirtschaft zurückstehen.
«Tempo und Bestandteile» der Sparanstrengungen sollten die Länder ihrer Wirtschaftslage anpassen, hiess es in der am Samstag veröffentlichten Abschlusserklärung des G20-Treffens in der russischen Hauptstadt.
Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte wurde dagegen zum «mittelfristigen» Ziel abgestuft. Das Treffen der G20-Finanzminister und -Notenbankchefs diente insbesondere der Vorbereitung des für September geplanten Gipfels der G20-Regierungschefs in St. Petersburg.
Erst dort werden die strategischen Ziele der G20-Staaten endgültig neu definiert werden. Über deren Ausrichtung bestehen Meinungsverschiedenheiten: Während etwa Deutschland und China als Verfechter strenger Sparsamkeit auftreten, sprechen sich die USA und Frankreich für Wachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze als besten Weg aus der Krise aus.
Austausch von Steuerdaten standardisieren
Schon bei ihrem Treffen im April in Washington hatten die G20-Finanzminister zusätzliche Anstrengungen für eine Erholung der Weltwirtschaft gefordert. In Moskau ging es nun – neben Massnahmen zur Wiederbelebung der Konjunktur – insbesondere aber auch um den Kampf gegen Steuerflucht.
Angenommen wurde hierzu ein Aktionsplan der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) – allerdings ohne Zeitrahmen: Er enthält 15 Massnahmen, damit vor allem internationale Konzerne ihre Gewinne nicht mehr in Länder mit Niedrigsteuersätzen transferieren und so weniger oder fast keine Steuern zahlen.
Datenaustausch in Steuerfragen
Thema an der Konferenz war auch der Datenaustausch in Steuerfragen. Die OECD hat die G20-Staaten darauf gedrängt, den automatischen Informationsaustausch von Steuerdaten zum Standard zu machen. Wie der Standard genau aussehen soll, will die OECD bereits im kommenden Jahr festgelegt haben.
Da es derzeit international kaum eine Alternative zum automatisierten Fluss von Steuerdaten gibt und ein Abseitsstehen von den grossen Wirtschaftsmächten kaum geduldet würde, wären besonders auch die Schweiz und ihr Bankgeheimnis von einem solchen Schritt der G20-Staaten betroffen.
Das ist auch Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, die zusammen mit Nationalbankpräsident Thomas Jordan auf Einladung Russland als Gast am G20-Treffen teilnehmen konnte, bewusst. An einer Medienkonferenz im Anschluss an das Ministertreffen machte sie dies denn unmissverständlich klar. «Dass die Entwicklung in diese Richtung läuft, ist die Realität», sagte sie in der Schweizer Botschaft in Moskau. Für die Schweiz gehe es nun darum, dass eine möglichst gute Lösung umgesetzt werde.
Substanzielle Beiträge zur Diskussion
Die Teilnahme der Schweizer Delegation an den diversen Diskussionen beurteilte Widmer-Schlumpf insgesamt positiv. Als Nichtmitglied der G20 könne man sich einzig aktiv in die Diskussion einbringen und versuchen, für gewisse Fragen Partner zu finden. «Bis jetzt ist uns das nicht schlecht gelungen», resümierte Widmer-Schlumpf am Samstag.
Sie wies darauf hin, dass die Schweiz sowohl in der Diskussion um die Besteuerung globaler Konzerne als auch in den Gesprächen um einen automatischen Informationsaustausch substanzielle Beiträge habe einbringen können.
Ob die Schweiz bei Finanzfragen auch weiterhin in G20-Gremien mitreden kann, ist noch offen. 2014 hat Australien die Präsidentschaft der G20 inne; entsprechende Gespräche über eine Teilnahme an den G20-Treffen im nächsten Jahr hätten bereits statt gefunden, hiess es.
Am G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im September in St. Petersburg wird die Schweiz definitiv nicht dabei sein. Zu den vorbereitenden Gesprächen der stellvertretenden Regierungschefs hat Russland die Schweiz allerdings eingeladen.