Gauck und Hollande gedenken Hand in Hand der Opfer von Oradour

Hand in Hand mit einem Überlebenden: Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck und Frankreichs Staatschef François Hollande haben der Opfer des SS-Massakers von Oradour-sur-Glane gedacht.

Am Ort des SS-Massakers (von links): Hollande, Hebras und Gauck (Bild: sda)

Hand in Hand mit einem Überlebenden: Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck und Frankreichs Staatschef François Hollande haben der Opfer des SS-Massakers von Oradour-sur-Glane gedacht.

In der zerstörten Kirche des zentralfranzösischen Dorfes hielten sich die Staatsoberhäupter und der 88-jährige Robert Hébras am Mittwoch als Geste der Versöhnung an den Händen. Gauck sprach von einem «barbarischen Verbrechen» der SS-Soldaten und dankte den Franzosen für ihre Versöhnungsbereitschaft nach dem Zweiten Weltkrieg.

Gauck besuchte als erster deutscher Spitzenpolitiker den Ort, an dem am 10. Juni 1944 SS-Soldaten 642 Zivilisten ermordet hatten. Die Hinterbliebenen in Oradour hatten jahrzehntelang jeden offiziellen Kontakt zu Deutschland abgelehnt.

In der zerstörten Kirche des Ortes hielten sich Gauck und Hollande zunächst an den Händen. Anschliessend nahmen sie Hébras in ihre Mitte, einen von nur sechs Überlebenden des Massakers. Gauck legte auch seinen Arm um Hébras, und am Friedhof von Oradour umarmten sich alle drei.

Die Gesten erinnern an die historische Geste der Aussöhnung von Frankreichs damaligem Präsidenten François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl am 22. September 1984. Beide hatten Hand in Hand in Verdun der französischen und deutschen Opfer der beiden Weltkriege gedacht.

«Geste der Versöhnung»

Dass er als erstes deutsches Staatsoberhaupt in den Ort eingeladen wurde, sei «eine Geste der Versöhnung – eine Geste, die man nicht erbitten, die man nur geschenkt bekommen kann», sagte Gauck in einer Ansprache. «Ihnen allen danke ich im Namen aller Deutschen dafür, dass Sie uns mit dem Willen zur Versöhnung entgegentreten.»

«Dieser Ort und seine Bewohner wurden in einem barbarischen, in einem zum Himmel schreienden Verbrechen vernichtet», sagte Gauck. Deutsche hätten an diesem Ort eine «grosse Schuld» auf sich geladen.

Das kleine Dorf Oradour-sur-Glane steht für die Grausamkeit der Nazi-Besatzung in Frankreich. 642 Menschen, darunter 452 Kinder und Frauen, wurden in dem rund 20 Kilometer von der Stadt Limoges entfernten Ort durch SS-Männer erschossen, erstickt oder verbrannt. Anschliessend brannten die SS-Soldaten das Dorf nieder.

Gauck betonte, dass er als Vertreter eines neuen, friedliebenden Deutschland gekommen sei. Durch die Auseinandersetzung mit der «bitteren Geschichte haben die Menschen in Deutschland die Kraft gewonnen, mein Heimatland zu einem guten Land zu machen», sagte er in seiner Rede.

Nicht vergessen

Er sehe sich in der Tradition anderer deutscher Politiker, die die «gesamten Verbrechen Nazideutschlands» anerkannt hätten, und wolle bekennen: «Wir werden Oradour und die anderen europäischen Orte des Grauens und der Barbarei nicht vergessen.»

Hollande zitierte in seiner Ansprache in dem Dorf ein Gedicht von 1944: Oradour habe keine Kirche mehr, Oradour habe keine Kinder mehr, Oradour sei nur noch ein Schrei. Und dieser Schrei sei immer noch zu hören.

Hollande würdigte Gauck als «die Würde des Deutschlands von heute». Gaucks Oradour-Besuch sei ein «aussergewöhnliches Ereignis». Der Besuch von Oradour gilt als wichtigster Punkt von Gaucks dreitägigem Staatsbesuch in Frankreich.

Gauck sprach sich auch dafür aus, fast sieben Jahrzehnte nach Kriegsende die gerichtliche Aufarbeitung deutscher Verbrechen im Krieg fortzusetzen. Diese Aufarbeitung sei noch «nicht abgeschlossen».

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