Ein Jahr nach Beginn der prowestlichen Maidan-Proteste in Kiew hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko der mehr als 100 Toten gedacht. Bei strahlendem Sonnenschein legte er am Freitag an einem Mahnmal unweit des Unabhängigkeitsplatzes (Maidan) einen Kranz nieder.
Wütende Angehörige getöteter Demonstranten forderten lautstark Aufklärung der Gewalt bei den Kundgebungen vor allem im Frühjahr. «Schande» und «Poroschenko, wo sind die Mörder?», riefen aufgebrachte Zuschauer der Gedenkzeremonie.
Poroschenko kündigte später an, alle bei den Maidan-Protesten getöteten Menschen als «Helden der Ukraine» zu ehren. An der Gedenkveranstaltung nahmen auch Ministerpräsident Arseni Jazenjuk und US-Vizepräsident Joe Biden teil, der Kiew weitere finanzielle Hilfe aus Washington zusicherte.
Am 21. November 2013 hatte die damalige ukrainische Führung ihren proeuropäischen Kurs auf Eis gelegt und sich stärker Russland zugewandt. Dies löste Grossdemonstrationen aus, bei denen zwischen Dezember 2013 und Februar 2014 mehr als 100 Menschen getötet wurden.
Einigung auf Koalition
Unterdessen einigten sich die fünf EU-freundlichen Parteien im Parlament auf die Bildung einer Koalition. Die neue Mehrheit werde 300 der 450 Abgeordneten stellen, sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk. Damit gibt es eine Zwei-Drittel-Mehrheit, mit der Verfassungsänderungen beschlossen werden können.
Bei der Wahl am 26. Oktober hatten die EU-freundlichen Parteien mehr als 50 Prozent der Stimmen erobert. Die Kommunisten flogen aus dem Parlament.
Zur neuen Koalition, die bei der ersten Parlamentssitzung am 27. November offiziell besiegelt werden soll, gehören der Block Poroschenko, Jazenjuks Volksfront, die Bewegung Samopomitsch, der auch Vertreter der Zivilgesellschaft angehören, die Partei Batkiwschtschina der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und die Radikale Partei des Populisten Oleg Liaschko. Nach der Einigung auf eine Koalition muss nun eine Regierung gebildet werden.
Russland finanziert abtrünnige Regionen
Im Osten des wirtschaftlich schwer angeschlagenen Landes tobt seit Monaten ein Konflikt mit prorussischen Separatisten. Die von Letzteren ausgerufenen Volksrepubliken in Donezk und Lugansk werden laut einem Rebellen-Funktionär stark von Russland finanziert.
«Uns hilft die russische Föderation», sagte der Verwaltungschef des Gebietes um Donezk, Igor Martinow. Dabei gehe es «nicht nur ein bisschen Geld, sondern viel», sagte Martinow der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) vom Freitag.
Russland zahle etwa die Kosten der städtischen Dienste, des Nahverkehrs und der Schulen. Auch Renten- und Sozialleistungen würden aus Russland geleistet. Die Verwaltung in Donezk könne nur etwa 20 Prozent des Finanzbedarfs aus eigenen Einnahmen decken.
Die ukrainische Regierung hatte nach den nicht anerkannten Wahlen in den Separatistengebieten Anfang November alle Zahlungen in die von den Milizen kontrollierten Gebiete eingestellt. Die Ukraine und der Westen werfen Russland vor, die Separatisten auch mit Soldaten und Waffen zu unterstützen. Die Führung in Moskau bestreitet das.
Massive Goldverkäufe
Um zu liquiden Mitteln zu kommen, hat die Ukraine nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Oktober mehr als ein Drittel ihrer Goldreserven verkauft. Am Ende des Monat verfügte das Land noch über 26 Tonnen Gold, 14 Tonnen weniger als im September.
Die Ukraine steht am Rande der Staatspleite. Sie ist abhängig von ausländischen Krediten und schuldet Russland noch eine erhebliche Summe für Erdgaslieferungen. Die Landeswährung hat zum Dollar in diesem Jahr bereits mehr als 80 Prozent an Wert verloren.