Gedränge auf dem weihnachtlichen Spendenmarkt

Schweizerinnen und Schweizer spenden grosszügig – und bleiben oft einer Organisation treu. Doch gerade kirchliche Hilfswerke kämpfen mit Mitgliederschwund. Und allen stellt sich die Frage, wie weit man beim Fundraising gehen kann.

Schweizer und Schweizerinnen spenden grosszügig (Bild: sda)

Schweizerinnen und Schweizer spenden grosszügig – und bleiben oft einer Organisation treu. Doch gerade kirchliche Hilfswerke kämpfen mit Mitgliederschwund. Und allen stellt sich die Frage, wie weit man beim Fundraising gehen kann.

Jahr für Jahr und unabhängig vom wirtschaftlichen Klima spenden Schweizerinnen und Schweizer über 1,6 Milliarden Franken für gute Zwecke. Besonders unter dem Eindruck und den Emotionen von Katastrophen greifen viele Menschen ins Portemonnaie – gemäss dem Forschungsinstitut gfs-zürich tun dies 80 Prozent der Leute.

Dabei stellt sich für Hilfswerke auch immer wieder die Frage, wie bei Katastrophen oder in Hoch-Zeiten des Spendens Aufmerksamkeit erregt und zum Spenden angeregt werden kann. Erschütternde Bilder, die in Endlosschlaufe über die Fernsehbildschirme flimmern, nehmen Organisationen schon viel Arbeit ab. Sensibilität bei der Bildauswahl bleibt jedoch wichtig – Jahr für Jahr.

Opfer nicht instrumentalisieren

«Wir zögern immer, ein Foto mit einem weinenden Kind neben seiner toten Mutter zu zeigen, denn damit instrumentalisiert man das Opfer», sagt Philippe Bovey vom evangelischen Hilfswerk HEKS. Werde die Würde des Opfers respektiert und das Bild eines stehenden Menschen gezeigt, würden sich potenzielle Spenderinnen und Spender aber fragen, weshalb sie in die Tasche greifen sollten, «weil das Opfer den Eindruck erweckt, selber zurecht zu kommen».

Es gibt immer wieder Organisationen, die es an Sensibilität mangeln lassen. So warnt die Stiftung Zewo, welche gemeinnützige, Spenden sammelnde Organisationen zertifiziert und kontrolliert, etwa vor der Stiftung «Welt Kinder Fonds».

Diese sammle «mittels emotionaler Fotos von Betroffenen und aufdringlicher Schreiben mit beiliegenden Geschenken». Solche Sammlungstechniken, «welche Spenderinnen und Spender emotional oder anderweitig unter Druck setzen, lehnt die Zewo ab», schreibt diese auf ihrer Webseite.

Gross gegen klein

Immer wieder stellt sich auch die Frage, wie sich die grossen, internationalen Organisationen mit ihren grossen Werbe- und Marketingbudgets auf dem Schweizer Markt halten. Verdrängen sie die Kleinen? «Das bestätigt sich nicht», sagt Zewo-Geschäftsleiterin Martina Ziegerer. Es sei schwierig für eine grosse Organisation, sich in der Schweiz zu etablieren. Als Gründe nennt sie die vier Landessprachen und die 26 kantonalen Gesetze.

So wie die Glückskette im Katastrophenfall die Spenden bündelt, koordiniert die Zewo die Sammeltätigkeit von 40 gemeinnützigen Organisationen in der Schweiz. Sie stellt sicher, dass die zertifizierten Organisationen 79 Prozent des Spendenaufkommens auch tatsächlich in die Projekte stecken, 13 Prozent dürfen für Verwaltungskosten verrechnet werden, 8 Prozent für Fundraising- und Marketingmassnahmen.

Laizismus und seine Folgen

Laut Ziegerer sind Schweizerinnen und Schweizer treue Spender. Den kirchlichen Hilfswerken drohen genau diese pflichtbewussten Geldgeberinnen und Geldgeber aber wegzusterben.

Die privaten Spenden seien derzeit stabil, erklärt HEKS-Sekretär Philippe Bovey. «Die Herausforderung wird in zehn Jahren kommen und hängt mit dem Alter der Spendenden zusammen.» Deshalb gelte es nun die unter 40-Jährigen anzusprechen – mit neuen Kommunikationsmitteln und neuen Botschaften.

Beim katholischen Hilfswerk Fastenopfer ist die Situation schwieriger. Wegen des «intensiven Spendenwettbewerbs» kürzt das Hilfswerk die Mittel für Aufgaben im Inland. Obwohl die kantonalkirchlichen Organisationen in die Bresche springen, muss das Hilfswerk sparen.

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