Die bürgerlichen Parteien wehren sich geschlossen gegen die Abschaffung der Pauschalbesteuerung. Sie befürchten, dass Steuereinnahmen und Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Am meisten würden Rand- und Bergregionen darunter leiden, warnt das Nein-Komitee.
Ein Nein zur Initiative ist für die Gegner daher ein Gebot der Solidarität. In den Alpentälern werde es immer schwieriger, Arbeitsplätze zu schaffen, sagte der Walliser Nationalrat und CVP-Präsident Christophe Darbellay am Dienstag vor den Bundeshausmedien. Genau diese Regionen seien schon von der Zweitwohnungsinitiative stark betroffen.
Der Kanton Graubünden müsste die Steuern um 4,5 Prozent erhöhen, falls die Einnahmen aus der Pauschalbesteuerung wegfallen würden, rechnete Finanzdirektorin Barbara Janom Steiner vor. Sie glaubt zwar nicht, dass alle Pauschalbesteuerten die Schweiz auf einen Schlag verlassen würden. Die Konsequenzen würden sich aber schleichend zeigen: «Wir gehen davon aus, dass viele wegziehen werden.»
Düstere Zahlenspiele
Gemäss Berechnungen der Gegner stehen rund 1 Milliarde Franken an Steuereinnahmen auf dem Spiel: Der Betrag umfasst die knapp 700 Millionen Franken, die heute aus der Pauschalbesteuerung in die Kassen von Bund, Kantonen und Gemeinden fliessen.
Dazu spekuliert das Komitee auf Zusatzeinnahmen von 300 Millionen Franken, die aufgrund der ab 2016 geltenden verschärften Kriterien zusammenkommen sollen. Darbellay sprach in dem Zusammenhang von einer «Arbeitshypothese».
Zusätzlich würden nach Aufwand besteuerte Personen Liegenschafts- und je nach Kanton auch Erbschafts- und Schenkungssteuern zahlen, sagte die Schwyzer FDP-Nationalrätin Petra Gössi. Hinzu kämen 200 Millionen Franken Mehrwertsteuer und geschätzte 60 Millionen Franken für die AHV. Für diese Ausfälle würden vor allem Mittelstand und KMU aufkommen müssen.
Aus Sicht der Gegner spricht auch das kulturelle und karitative Engagement der Pauschalbesteuerten gegen die Initiative. Studien gingen von jährlich 470 Millionen Franken für gemeinnützige Projekte aus, sagte der Zürcher GLP-Nationalrat Thomas Maier. Als Beispiele nennt er das Skigebiet Glacier 3000, das Menuhin Festival in Gstaad BE, das KKL Luzern oder die Stiftung Giannada in Martigny VS.
Stellen in Gefahr
Gewerbeverbandspräsident und SVP-Nationalrat Jean-François Rime (FR) warnte vor Job-Verlusten. Seiner Ansicht nach stehen 22’000 Stellen auf dem Spiel. Es handelt sich dabei um eine Schätzung der Eidgenössischen Steuerverwaltung: Rund 22’500 Arbeitsplätze sind demnach mit der Aufwandbesteuerung verbunden, der tatsächliche Beschäftigungseffekt dürfte aber tiefer sein.
Darbellay sieht auch keinen Sinn darin, ohne Not einen Standortvorteil preiszugeben. Die umliegenden Länder hätten ähnliche Steuerregimes und würden die guten Steuerzahler mit Handkuss nehmen. «Die Initiative hat masochistische Züge», sagte der CVP-Präsident.
Seiner Ansicht nach verbietet schon die föderalistische Struktur der Schweiz, die Initiative anzunehmen. Wenn Basel oder Zürich die Pauschalbesteuerung abschaffen wollten, sei das ihr gutes Recht. Etwas anderes sei es, andere Kantone zwingen zu wollen, das Gleiche zu tun. «Die Initiative tritt den Steuerföderalismus mit Füssen», sagte auch Janom Steiner.
Steuergerechtigkeit verletzt
Heute können vermögende Ausländerinnen und Ausländer, die in der Schweiz keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, nach den Lebenshaltungskosten statt nach Einkommen und Vermögen besteuert werden. Das Volksbegehren, über das am 30. November abgestimmt wird, verlangt eine Abschaffung dieses Privilegs, welches das verfassungsmässige Gebot der Steuergerechtigkeit verletzt.
Die jüngsten gesamtschweizerischen Zahlen zur Pauschalbesteuerung stammen aus dem Jahr 2012. Damals zahlten 5634 Personen nach Aufwand besteuerte Personen im Durchschnitt 123’400 Franken Steuern. Die meisten von ihnen lebten in den Kantonen Waadt (1396 Personen), Wallis (1300), Tessin (877) und Genf (710). Die Kantone Zürich, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden und beide Basel haben die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung inzwischen abgeschafft.
An der Unterschriftensammlung beteiligten sich die SP, die Gewerkschaft Unia sowie der Gewerkschaftsbund. Parlament, Bundesrat und die Kantone haben sich gegen die Initiative ausgesprochen.