Die Vorschläge des Bundesrats zum Beschaffungsrecht sorgen bei der parlamentarischen Aufsicht für Unruhe. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats hat am Freitag beschlossen, die Geheimhaltung von Unterlagen genau unter die Lupe zu nehmen.
«Wir sind sehr überrascht und und interessiert, was die Gründe des Bundesrats sind», sagte GPK-Präsident Hans Stöckli (SP/BE) auf Anfrage. Die zuständige Subkommission habe den Auftrag erhalten, einen Mitbericht zu verfassen. «Wir werden das sehr aufmerksam verfolgen.»
Auslöser der Betriebsamkeit ist die Revision des Beschaffungsrechts, die der Bundesrat am Donnerstag vorgeschlagen hat. Darin sieht er Einschränkungen beim Zugang zu Unterlagen vor: Dokumente, die nicht ohnehin öffentlich sind – etwa die Ausschreibung selber oder der Zuschlag -, sollen nicht mehr zugänglich sein.
Dadurch würde das Beschaffungsrecht vom Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes ausgenommen. Ziel ist die «Vermeidung erheblichen, keinen Mehrwert generierenden Aufwands», wie es in der Botschaft heisst. Nach Ansicht des Bundesrats genügt die verwaltungsinterne Aufsicht und jene durch die Eidgenössische Finanzkontrolle.
Wichtige Hinweise von Journalisten
Damit ist Alfred Heer, Präsident der GPK des Nationalrats, nicht einverstanden. «Bei Beschaffungen läuft vieles schief», sagte der Zürcher SVP-Nationalrat. Parlamentarier könnten nicht allem nachgehen, auch die GPK nicht. Hinweise von Journalisten seien darum wichtig.
Hartnäckige journalistische Recherche hatte etwa die kriminellen Machenschaften bei Beschaffungen im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) ans Licht gebracht. Die Ergebnisse beschäftigten auch die GPK. «Je mehr Öffentlichkeit es im Beschaffungswesen gibt, umso mehr vernünftige und kostengünstige Entscheide gibt es», sagte Heer.
Die Vorbehalte sind parteiübergreifend. Auf Anfrage äusserte sich CVP-Präsident Gerhard Pfister (ZG) «grundsätzlich kritisch». FDP-Präsidentin Petra Gössi (SZ) hält nichts von der Geheimhaltung: «Um Missstände gezielt angehen zu können, ist eine Einschränkung der Transparenz sicher nicht angezeigt», erklärte sie. Bei öffentlichen Beschaffungen seien in der Vergangenheit verschiedentlich Mängel zum Vorschein gekommen. Das gelte es zu verhindern.
Scharfe Kritik von Lobsiger
Der Reigen der Kritiker wird vom Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten Adrian Lobsiger angeführt. Er hatte die Vorschläge des Bundesrats bereits am Vortag mit ungewöhnlich scharfen Worten kritisiert. Seine Stellungnahme dürfte in der Parlamentsdebatte, die nun folgt, ein gewisses Gewicht haben.
Kritik kommt nicht nur von der Politik: Der Bundesrat öffne der Korruption Tür und Tor, heisst es in einer Stellungnahme von Transparency International. Im öffentlichen Sektor seien bisher die meisten Korruptionsfälle im Beschaffungswesen aufgetreten. Diese hätten nur dank des Öffentlichkeitsprinzips in ihrer ganzen Tragweite ans Licht gebracht werden können.
Ausnahmen davon gebe es genügend, schreibt die Organisation. So seien Berufs-, Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisse geschützt. Unterlagen im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren künftig geheim zu halten, würde für die Korruptionsbekämpfung ein grosser Rückschritt bedeuten.
Keine verbindlichen Standards
Neben der Geheimhaltung sorgen auch die wenig verbindlichen Vorgaben bei Arbeits- und Sozialrechten für Unmut. Der Bundesrat verpasse eine Chance, die öffentlichen Beschaffungen konsequent Richtung Nachhaltigkeit zu lenken, sagte Peter Flückiger, Direktor von Swiss Textiles, dem Verband der Textil- und Bekleidungsindustrie.
Die öffentliche Hand sei für die Branche eine wichtige Kundin. Beschafft würden etwa Teppiche, Sitzbezüge für Züge, Uniformen oder Spitaltextilien. «Es spielt eine Rolle, wie sich die öffentliche Hand verhält», sagte Flückiger. Sie müsse verhindern, dass sie durch den Einkauf indirekt Menschenrechtsverletzungen unterstütze.
Er war am Freitag zusammen mit Christa Luginbühl von der internationalen Clean Clothes Campaign vor die Medien in Bern getreten. Gemeinsam fordern die Organisationen, dass die Teilnahme an Beschaffungsverfahren, die Zuschlagsbedingungen und auch die Produkte an klare Sozial- und Umweltstandard geknüpft werden.
Die arbeitsrechtlichen Standards müssten sich auch auf Arbeitszeit, Gesundheitsschutz und Lohn beziehen. Und schliesslich müsste die Einhaltung der sozialen und ökologischen Mindestanforderungen kontrolliert werden können. „Eine Selbstdeklaration reicht nicht aus, sagte Flückiger.