Generation Sohn

Er ist nicht der erste Dokumentarfilmer, der in diesem Jahr seine Fussspuren in den Spuren seiner Eltern misst. Ramòn Giger hat mit seinem Kunstfilm den Grand Prix der «Visions du Réel» gewonnen. Am Sonntag ist er in den Kult-Kinos zu Gast. Er ist nicht der erste Dokumentarfilmer, der in diesem Jahr seine Fussspuren in den […]

Er ist nicht der erste Dokumentarfilmer, der in diesem Jahr seine Fussspuren in den Spuren seiner Eltern misst. Ramòn Giger hat mit seinem Kunstfilm den Grand Prix der «Visions du Réel» gewonnen. Am Sonntag ist er in den Kult-Kinos zu Gast.

Er ist nicht der erste Dokumentarfilmer, der in diesem Jahr seine Fussspuren in den Spuren seiner Eltern misst. Peter Liechti, David Sieveking, Stéphanie Argerich, Dario Aguirre haben ihre Eltern auf ihre Art porträtiert. Am Sonntag ist Ramon Giger in den Kult-Kinos zu Gast.

Wie haben andere die Generationenfrage gestellt? Peter Liechti, selber schon zur Grossvatergeneration gehörend, hat das Minenfeld, das Kinder auf der Suche nach Wahrheit betreten, auf eigentümliche Weise ins Bild gesetzt: Die Aussage seiner Eltern lässt er auch mal als grosse «Chüngel» erscheinen. :

David Sieveking findet seinen Vater in der Pflege seiner Mutter neu.

 

Stéphanie Argerich dringt in die Welt der Kunst ihrer Mutter ein.

Heiterer hat Dario Aguirre den Abgrund, der ihn von seinem Vater trennt, geschildert. Ausgerechnet der eingefleischte Vegetrarier versucht Vaters Grill vor dem Ruin zu retten. Und – das gelingt.

 

Nun legt also Ramòn Giger seine Auseinandersetzung mit seinem Vater vor. Schon in der Ouverture seines Films «Karma Shadub» stellt er fest, dass er an der Aufgabe scheitern wird. Dann verführt er uns zu einer filmischen Suche nach den Ursachen.

Eigentlich wollte Ramòn Giger eine Komposition seines Vaters auf die Leinwand bannen. Sein Vater, Paul Giger, ist ein Zauberer der Geigenklänge. Irgendwo in der Nähe von Arvo Päärt und Phillipp Glass entlockt er dem Instrument seine rituellen rhythmischen Klänge. Wenn er den Bogen über die Saiten zieht, schwingt ein kleines Universum mit.

Vater und Sohn vor der Kamera gefange

Erst einmal sitzen Vater und Sohn in einer Einstellung gefangen gegenüber: Der Sohn neben dem Kameraauge. Der Vater ihm gegenüber: Es ist ein Gespräch unter fünf Augen. Beide suchen in den Worten, die sie sich sagen, nach Verstecken, dieser Öffentlichkeit zu entrinnen. Der Sohn will mehr, als nur ein Konzert aufzeichnen. Er will mit seinem Vater seiner Geschichte auf den Grund gehen.

Die Spannung ist greifbar. Der Sohn gräbt in alten Konflikten. Wobei ‚graben’ nicht der richtige Begriff ist. Eher redet er an seinem Vater vorbei. Die abwesende Nähe der beiden lässt beklommen aussen sitzen. Plötzlich ist der Film lang und gewinnt seine Spannung aus dem Stillstand.

Die Kunst bietet beiden die Rettung

Umso lebendiger wirken die Töne im Konzert der Sänger, der Tänzerinnen, der Musiker. Mit dem Zustandekommen der Aufführung nähern wir uns auch dem Konflikt zwischen Vater und Sohn wieder: Ihre Suche findet in der Musik und im Bild endlich einen gültigen Ausdruck. Die Fragen griffen ins Leere  – Vater und Sohn schweigen sich wortreich an: Dennoch lautet die Antwort: Die Kunst rettet sie.

Die Kunst des Vaters, der im Laufe der 90 Minuten seiner Komposition beeindruckendes Leben einhaucht. Die Kunst des Sohnes, dieser Wortlosigkeit Bilder zu geben. Am Schluss haben wir von beiden viel aus ihrer Geschichte erfahren, und kaum etwas, wie sie damit heute umgehen können. In der Kunst finden sich die beide. Wohlan denn. Ramòn Giger hat für die Bilder den richtigen Ton gefunden. Vater macht mit seinen Tönen die Bilder zu berührenden, ja, bedrückenden Ergebnissen. Dennoch sind wir als Zeugen dieser Findung etwas aussen vor und den beiden doch eher fremd. «Karma Shadub» fordert Langmut, erklingt aber schliesslich wie ein Walgesang: Traurig, aus den Zeiten der Sehnsucht kündend.

Der Film läuft zur Zeit in den Kult-Kinos in Basel.

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