Kämpfe für die Erhaltung von Lebensqualität haben in Genf etwa im Quartier Les Grottes oder bei den Bains des Pâquis Früchte getragen. Es sind Oasen mitten in der Stadt.
Zum Credo von Genf zählt mindestens seit der Aufnahme der Hugenotten im 16. und 17. Jahrhundert, eine humanitäre, tolerante und weltoffene Stadt zu sein. Auf ihr internationales Ambiente ist die Stadt des europäischen Uno-Sitzes immer noch stolz. Man kommt in Genf leicht ins Gespräch, sei es im Tram oder im Bistrot, denn es sind fast alle fremd, und die meisten Einheimischen stammen ursprünglich aus dem Wallis.
Dem Umstand, dass die Hälfte der Bewohner keinen Schweizer Pass haben, ist zu verdanken, dass hier fast alle Küchen der Welt vertreten sind. Viele Quartiere haben aber auch ihr spezielles Flair erhalten können.
Besuch bei den Schlümpfen
Gleich hinter dem Bahnhof liegt das Viertel Les Grottes, ein Dorf mitten in der Stadt. Sehenswert sind die bunten Schtroumpf-Häuser mit ihren gewölbten Fassaden. Die Wohnhäuser erinnern an die Architektur von Gaudí oder Hundertwasser. Weil sie auch Ähnlichkeit mit den pilzförmigen Häusern der Schlümpfe (im belgischen Original: Les Schtroumpfs) haben, werden sie hier die Schtroumpf-Häuser genannt.
Das Grottes-Viertel, dessen Name von einem Bach stammt, der jeweils bei Hochwasser für Schlamm (crottes) sorgte, ist immer noch alternativ, es gibt Secondhand-Buchläden, einen Fair-Trade-Laden, eine Velowerkstatt, einen Möbelrestaurateur und andere Handwerker. Schmackhafte Küche bieten die Restaurants Espadon, Scarface und das Café des Couleurs et Saveurs an.
Pfauen vor Art-Déco-Gebäude
In den Achtzigerjahren wurde das Grottes-Viertel durch den Widerstand der Bewohner vor dem Abriss gerettet, doch die Gefahr ist nicht ganz gebannt. Noch ist nicht definitiv entschieden, ob der Ausbau des Bahnhofs oberirdisch oder unterirdisch erfolgen wird. Im ersten Fall würde ein Teil des Grottes-Viertels geopfert.
Neben dem Viertel befindet sich an der Ecke Rue du Fort-Barreau/Rue Montbrillant der Parc des Cropettes, wo am Wochenende Pétanque gespielt wird. Als populäre Feierabend-Bar hat sich La Petite Reine gleich hinter dem Bahnhof durchgesetzt, wo Rudy seine selbstgemachten Empanadas serviert und sich alles trifft, von Studenten bis zu Diplomaten.
Für viele Delegierte internationaler Konferenzen ist Genf die Schweiz schlechthin und unvorstellbar, dass die Schweizer mehrheitlich deutschsprachig sein sollen. Vom Bahnhof gehts mit dem Tram 15 Richtung Nations zum Uno-Sitz, der jährlich von 100’000 Touristen aus aller Welt besucht wird. Eine einstündige Führung vermittelt einen interessanten Einblick in den Uno-Alltag. Hier wird über Menschenrechte, humanitäre Hilfe, Gesundheitspolitik, Telekommunikation bis hin zu Abrüstung und Schutz von geistigem Eigentum verhandelt.
Im Bann der internationalen Organisationen
Auf der Place des Nations, wo der riesige Broken Chair an die Minenopfer erinnert, vergnügt sich Jung und Alt bei den Wasserfontänen. Der Palais des Nations wurde 1930 im Ariana-Park gebaut. Diesen wiederum hatte die Familie Revilliod de Rive der Stadt mit der Auflage vermacht, die dort lebenden Pfauen zu belassen. Deshalb leben auch heute mehrere dieser Vögel im Park des Art-Déco-Gebäudes, das zunächst als Sitz des Völkerbundes diente. Die Pfauen erinnern ebenso wie eine 1832 gepflanzte mächtige Libanon-Zeder an die weiten Reisen der Familie.
Von der Uno spazieren wir zum See hinunter, vor dem WTO-Gebäude am Ende der Strasse befindet sich links der Jardin Botanique mit seinen historischen Gewächshäusern. Rechts führt der Weg zum Park La Perle du Lac, der seinem Namen alle Ehre macht, des gleichnamigen Restaurants. Hier schlendern wir der Uferpromenade entlang, vorbei am Yachthafen und dem majestätischen Palais Wilson, der ebenfalls einmal Sitz des Völkerbundes war und heute das Uno-Hochkommissariat für Menschenrechte beherbergt.
Das Volksbad, ein Bijou
Schliesslich erreichen wir die Bains des Pâquis am Quai du Mont Blanc. Auch das Volksbad auf der Mole mit dem Leuchtturm und dem Blick auf den Jet d’Eau sowie – bei schönem Wetter – auf den Genfer Hausberg Salève (auf der französischen Seite der Grenze) wurde dank den Bewohnern vor einem Abbruch gerettet.
Das Bijou liegt vor den Luxushotels und ursprünglich sollte deren zahlungskräftigen Kunden die Aussicht auf das einfache Volk nicht zugemutet werden. Die Bains des Pâquis sind während des ganzen Jahres offen und verfügen über Hamam und Sauna. Nach einer durchzechten oder -tanzten Nacht kann man hier im Sommer ab 5 Uhr und sonst ab 7 Uhr frühstücken. Das Tagesmenü kostet seit 20 Jahren 12 Franken. Wunderschön sind die Morgendämmerungs-Konzerte zur Begrüssung der Sonne, die leider jeweils nur bis Ende August stattfinden. Der Eintritt ist frei.
Eine weitere Oase mitten in der Stadt ist die Rhoneinsel, ein Katzensprung entfernt von der Tram- und Bushaltestelle Bel Air, zu der man von den Bains des Pâquis aus auch zu Fuss dem See entlang spazieren kann. Auf der Insel befinden sich eigenwillige Galerien und die Haltestelle für die sommerlichen Schiffsfahrten auf der Rhone, beispielsweise bis Peney-Dessous für eine Wanderung durch die Weindörfer Satigny, Dardagny und Russin – durch das wilde Val d’Allondon. Für Erfrischung sorgt auf der Insel die Brasserie des Halles, und im Sommer kann man sich hier in einen Liegestuhl fläzen.
Bei Regenwetter bietet sich die Einkaufsmeile an der Rue de la Confédération auf der linken Seeseite an oder ein Kinobesuch etwa im «Grütli» (Rue du Général Dufour 16), das Retrospektiven oder themenbezogene Filme zeigt. Oder eine Ausstellung, beispielsweise die Sammlung der Fondation Bodmer von Manuskripten seit den alten Ägyptern, in Cologny (linke Seeseite).
- Abtauchen: Im wunderschönen Volksbad, den Bains des Pâquis.
- Abreisen: Mit einem Rhoneschiff den Fluss hinab, reserviert wird im Tourismusbüro und unter www.swissboat.com.
- Anbeissen: Zum Beispiel an der Rue Chaponnière (vom Bahnhof in die Rue des Alpes Richtung See gehen, 2. Strasse rechts). Gute und echte italienische Küche gibt es hier im Restaurant Milan (Sonntag geschlossen). Das «Al-Mektoub» und «Al-Amir» bieten nordafrikanische und nahöstliche Spezialitäten. Zudem befinden sich in der gleichen Strasse ein japanisches, ein indisches und ein mexikanisches Restaurant.
- Ausschlafen: Hotel Ibis, Rue du Grand-Pré 33-35 (Fortsetzung der Rue du Fort-Barreau), hinter dem Bahnhof hinauf, am Parc des Cropettes vorbei, etwa 300 Meter gehen oder ab Bahnhof Bus Nr. 8 Richtung OMS, Haltestelle Cannonière.
- Anstossen: Im Charly O’Neill’s Pub, nicht nur für Heimweh-Iren und Expats; Ecke Rue du Grand-Pré/Rue Hoffmann. Im Café La Petite Reine, Place de Monbrillant, hinter dem Bahnhof neben der Velostation. Oder im Le Scandale, Rue de Lausanne (nahe Bahnhof auf der Seeseite). Für das leibliche Wohl sorgen auch zahlreiche Bistrots im Pâquis-Viertel zwischen Bahnhof und See.