Im eidgenössischen Parlament dürften die Vorschläge des Bundesrates zur Mehrwertsteuer einen schweren Stand haben. Die grossen Parteien haben am Mittwoch in ersten Reaktionen mehrheitlich ihre Ablehnung signalisiert. Nur die CVP ist zufrieden, offen zeigt sich die SVP.
CVP-Präsident Christophe Darbellay äusserte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda erfreut darüber, dass der Bundesrat „endlich das Zwei-Satz-Modell gewählt“ habe. Die CVP setze sich seit langem dafür ein. Die Anwendung des von der Regierung lange Zeit bevorzugten Einheitssatzes hätte einen massiven Anstieg der Preise für Dinge des täglichen Bedarfs zur Folge.
„Wir werden analysieren, wie sich diese Varianten auf die Mittelklasse auswirken“, sagte Darbellay. Die Anstrengung konzentriere sich auf den reduzierten Satz, während der Normalsatz von acht Prozent gleich bleibe. Dies müsse allenfalls ändern, um die Auswirkungen auf die bescheidenen Einkommen zu verringern.
„Grosse Skepsis“
Für die SVP ist das Zwei-Satz-Modell ein „möglicher Weg“, den sie klar gegenüber dem Einheitssatz favorisiert. „Kritisch sind wir gegenüber einer Erhöhung des reduzierten Satzes“, sagte SVP-Generalsekretär Martin Baltisser auf Anfrage der sda.
„Es herrscht grosse Skepsis, dass ein solches Modell in irgendeiner Form mehrheitsfähig gemacht werden kann“, sagte Baltisser. Eine Kompensation der dadurch entstehenden Steuerausfälle dürfte sich jedenfalls als sehr schwierig erweisen.
Gegen „Giesskannenlösung“
Die SP sieht keine Notwendigkeit für diese Reform. Sie lehnt eine „steuerliche Subventionierung“ der Hotellerie und neu des Gastgewerbes mit einem reduzierten Mehrwertsteuersatz ab.
„Diese Giesskannenlösung hilft den einzelnen Hotels oder Restaurants nichts, weil deswegen kein Mittagessen mehr konsumiert oder kein Hotelzimmer mehr gebucht wird“, sagte SP-Sprecher Andreas Käsermann auf Anfrage der sda.
Die Revision würde aber entweder zu massiven Mindereinnahmen führen oder müsste mit einem höheren MWSt-Satz für die lebensnotwendigen Güter kompensiert werden. Eine solche Anpassung des reduzierten MWSt-Satzes würde die tiefen Einkommen überdurchschnittlich belasten und sei für die SP nicht akzeptabel.
„Absurde Bürokratie“
Auch für die FDP geht diese Reform in die falsche Richtung. Statt mit einem Einheitssatz und der Abschaffung von Ausnahmen die Bürokratiekosten für die Unternehmen endlich massiv zu senken, werde diese Chance mit einem Zwei-Satz-Modell erneut verpasst, heisst es in einem Communiqué.
Die FDP werde sich weiterhin für die Bürokratieabbau-Massnahme eines Einheitssatzes und damit für tiefere Kosten für Unternehmen und Konsumenten einsetzen. Besonders die KMU in der Schweiz hätten mit der „absurden Mehrwertsteuer-Bürokratie“ sowie den unzähligen Ausnahmen und Sonderregeln zu kämpfen.
Hoteliers zeigen sich erfreut
Die Branchenverbände hotelleriesuisse und GastroSuisse begrüssen die vom Bundesrat präsentierte Vorlage zur Reform der Mehrwertsteuer. Diese komme der zentralen Forderung von hotelleriesuisse nach, Beherbergungs- und Restaurationsleistungen in einem tieferen Satz zu bündeln, schreibt hotelleriesuisse in einem Communiqué.
Mit seinem Entwurf signalisiere der Bundesrat, dass es den Bedürfnissen von Hotellerie und Gastronomie Rechnung zu tragen gelte. Gegenüber der Konkurrenz aus dem nahen Ausland habe die Schweizer Hotellerie mit hohen Kosten zu kämpfen. Gleichzeitig würden 24 von 27 Staaten in der EU einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für Beherbergungsleistungen anwenden.
Hotelleriesuisse hofft, dass sich nun auch das Parlament für eine „tourismusfreundliche“ Ausgestaltung der Mehrwertsteuerreform ausspricht.
„Grosse Genugtuung“ bei GastroSuisse
„Mit grosser Genugtuung“ nimmt GastroSuisse die Vorschläge des Bundesrates zur Kenntnis, wie es in einem Communiqué heisst. Man sei sehr erfreut über das Zwei-Satz-System, bei dem Restaurations- und Beherbergungsleistungen der Take-Away-Verpflegung gleichgestellt werden.
Die Beendigung der Diskriminierung des Gastgewerbes sei bitter nötig. Seit der Einführung der Mehrwertsteuer in der Schweiz werde die Gastronomie dreimal so hoch besteuert wie ihre Konkurrenz im Take-Away-Bereich.
2010 hat GastroSuisse deshalb eine eidgenössische Volksinitiative lanciert, welche die „Ungerechtigkeit“ bei der Besteuerung beheben will. GastroSuisse werde nicht nachlassen in ihrem Bemühen um gleich lange Spiesse für alle Anbieter gastgewerblicher Leistungen, heisst es: „Das Ringen um Gerechtigkeit geht 2013 weiter.“
Economiesuisse gegen „einseitige Privilegien“
Nach Ansicht des Wirtschaftsdachverbands economiesuisse führt der bundesrätliche Vorschlag für ein Zweisatz-Modell zu hohen Kosten und neuen Verzerrungen. Der Verband lehne den 800 Millionen Franken teuren Vorschlag deshalb kategorisch ab, heisst es in einem Communiqué. Dieser bringe kaum Vereinfachungen.
Die Unternehmen müssten weiterhin jährlich hunderte Millionen Franken in die Bewältigung eines „bürokratischen Monsters“ stecken. „Die einseitigen Privilegien zulasten des Grossteils der Branchen werden sogar noch ausgebaut.“ Die Kosten des Zwei-Satz-Modells würden die Unternehmen und Konsumenten tragen.