GGG-Chef Erb: «Der Robi ist überschuldet und muss saniert werden»

Finanzleute statt Jugendarbeiter, feste Strukturen statt Pragmatismus. Die Trägergesellschaft GGG will die Robi-Spiel-Aktionen gegen erbitterten Widerstand umbauen. Dieter Erb, Geschäftsführer der GGG, spricht über die Gründe hinter der Eskalation – und die Demontage von Robi-Macher Andreas Hanslin.

GGG-Geschäftsführer Dieter Erb: «Wir treffen notwendige unternehmerische Entscheide.»

Herr Erb, das Verhältnis zwischen GGG und Robi-Spiel-Aktionen ist gelinde gesagt belastet. Wie nehmen Sie die Situation wahr?

Es ist nicht zu bestreiten, dass es eine Konfliktsituation gibt. Es bestehen Meinungsunterschiede bei einer Organisation, die im Wandel und stark gewachsen ist und bei der es Nachholbedarf im betriebswirtschaftlichen Bereich gibt.

Beschreiben Sie den Konflikt.

Die Geschäftsleitung des Robi will die Trägerschaft verbreitern und den Verein von der GGG loslösen. Die andere Sache betrifft die Kündigung durch den jahrelangen Geschäftsführer Andreas Hanslin. Wir hatten ihm eine Leitungsfunktion in der offenen Kinder- und Jugendarbeit angeboten, er hat sie abgelehnt. Das sorgt für Unruhe. Mit dem interimistischen Leiter Christoph Biedermann, der Anfang April angefangen hat, wird aber konstruktiv zusammengearbeitet.

Ist es ein Problem verschiedener Arbeits- und Betriebskulturen?

Nein, das ist es nicht. Wir haben Dutzende Organisationen, die wir führen oder über die wir das Patronat haben. Die haben alle auch ihre eigene Kultur und arbeiten mit grossen eigenen Gestaltungsräumen. Der Robi und die GGG teilen die gleichen Werte. Die Robi-Spiel-Aktionen sind aber schnell gewachsen in den letzten Jahren und heute ein KMU mit fast 300 Mitarbeitern. Da braucht es neue Führungsinstrumente. Wir haben null Interesse, die spezielle Kultur des Robi zu zerstören. Niemand mischt sich in die Arbeit mit den Kindern ein. Wir treffen notwendige unternehmerische Entscheide, was als autoritär wahrgenommen wird.

Was steht am Ende dieser Restrukturierung?

Die Arbeit mit Jugendlichen und Kindern ist gut aufgestellt. Entwicklungsbedarf besteht bei den Finanzen und der Administration. Es gibt beispielsweise kein internes Kontrollsystem, in dem etwa der Umgang mit Kassen oder Unterschriftenregelungen definiert sind. Das ändert aber nichts an der guten Qualität der Arbeit mit den Kindern, die geleistet wird.

«Ein Verein dieser Grösse müsste eigentlich beträchtliche Reserven haben, um Risiken auszugleichen.»

Gibt es Bestrebungen, die Robi-Spiel-Aktionen aufzusplitten?

Nein, um uns diese Gedanken zu machen, müssen wir erst einen Überblick haben – vor allem über die Finanzen. Wir müssen wissen, was wie viel kostet und wie viel einbringt. Im Moment ist der Verein überschuldet und muss saniert werden.

Was meinen Sie damit?

Es geht um die halbe Million, von der in den Medien die Rede war. Die Jahresrechnung 2017 wird deshalb massiv im Minus sein. Der Verein ist Stand heute deswegen überschuldet. Ein Verein dieser Grösse müsste eigentlich beträchtliche Reserven haben, um Risiken auszugleichen. Andere Non-Profit-Organisationen haben das.

Diese Überschuldung scheint bei 13,5 Millionen Franken Umsatz verschmerzbar.

Das Problem ist, dass nun keinerlei Reserven mehr bestehen. Sobald ein Bereich beim Robi ein Minus einfährt, ergeben sich massive Probleme für den gesamten Betrieb. Ich betreue zahlreiche Organisationen, die haben alle Reserven…

…die sind aber auch nicht derart schnell gewachsen.

Zum Teil sind sie das auch. Sie haben mehrheitlich ihre Strukturen dem Wandel besser angepasst.

Sie haben einen interimistischen Geschäftsführer installiert sowie einen neuen Finanzchef. Wie viel zusätzlich kostet das?

Dazu gebe ich keine Auskunft. Die Kosten für die interimistische Geschäftsleitung übernimmt die GGG. Die Kosten für den neuen Finanzchef liegen bei Robi und sind durch den zusätzlichen Beitrag des Kantons nach einem Entscheid des Parlaments von 2015 gedeckt.

Der Verantwortliche fürs Rechnungswesen hat in den letzten Jahren viermal gewechselt. Was läuft da schief?

Nachdem sich der ehrenamtliche Buchhalter zurückzog, kümmerte sich eine Person um die Finanzen, die noch von Herrn Hanslin angestellt wurde. Mit der ging es nicht. Dann kam für eine Übergangszeit ein externer Treuhänder, bevor nun jemand regulär angestellt wurde. Der externe Treuhänder hat auch die nicht belegte Forderung in der Höhe von rund 500’000 Franken entdeckt.

«Es ist klar, dass es nicht deeskalierend wirkt, wenn solche Konflikte in den Medien ausgetragen werden.»

Wann erfuhren Sie von diesem Problem?

Ende des letzten Jahres.

Der Betrag taucht aber schon in der Jahresrechnung 2016 auf.

An der Mitgliederversammlung 2017 haben wir nachgefragt, um was es da geht. Die Geschäftsleitung des Robi antwortete, es handle sich um noch offene Forderungen gegenüber dem Erziehungsdepartement. Dem war aber nicht so.

Und dann haben Sie die fehlerhafte Rechnung durchgewunken?

Nein. Wir wollten wissen, was mit dieser Buchung ist – und haben eine Auskunft erhalten. Darauf muss man sich verlassen können. Jetzt wird kolportiert, alle seien mitverantwortlich für dieses Problem, so ist es natürlich nicht. Die operative Leitung der Robi-Spiel-Aktionen ist fürs Rechnungswesen zuständig.

Wo sind die 500’000 Franken verschollen?

Die sind nirgendwo verschollen. 2016 wurden schlicht 500’000 Franken zu viel ausgegeben. Wo genau, wissen wir im Detail nicht, weil die Robi-Spiel-Aktionen bis jetzt keine Kostenstellenrechnung hatten.

Im Ursprungsartikel, der in der «bz Basel» erschien, wurde behauptet, ein deliktisches Verhalten könne nicht ausgeschlossen werden…

Ich habe nichts dergleichen gesagt, fragen Sie den Journalisten, warum er das geschrieben hat.

Warum haben Sie sich nicht schützend hinter Hanslin gestellt?

Ich wurde von der «bz Basel» vor dem Erscheinen des ersten Artikels gar nicht zu dieser Thematik befragt. Danach habe ich bei allen weiteren Kontakten mit externen Partnern und den Medien klargestellt, dass kein deliktisches Verhalten vorliegt. Wie zum Beispiel im Artikel der BaZ vom 27. März 2018.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Medien in dieser Affäre?

Es ist klar, dass es sicher nicht deeskalierend wirkt, wenn solche Konflikte in den Medien ausgetragen werden.

«Die GGG setzt sich für die Weiterexistenz des Vereins ein. Wir machen das Gegenteil von dem, was uns unterstellt wird.»

Den Widerstand gegen die GGG scheinen die Berichte angefacht zu haben. Wie nehmen Sie die Opposition wahr?

Wir sind dran. Wir führen Gespräche, intern wie auch mit dem Erziehungsdepartement und der Christoph Merian Stiftung, die den Robi ebenfalls finanziell unterstützt.

Es gibt jetzt einen Brief an den Regierungsrat, der von 200 Eltern unterschrieben wurde. Es gibt eine Unterschriftensammlung für die Autonomie – der Widerstand ist breit. Das muss Sie beunruhigen.

Die Frage ist, auf welcher Grundlage solche Briefe unterschrieben werden. Es wird dann behauptet, die besondere Kultur der Robi-Spiel-Aktionen sei durch uns gefährdet. Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Die GGG setzt sich dafür ein, dass der Verein weiterexistieren kann und liquide bleibt. Wir machen das Gegenteil von dem, was uns unterstellt wird.

Treiber des Widerstands scheint der Umgang mit Andreas Hanslin. Sein Lebenswerk wird beschädigt, er wird von Ihnen ins zweite Glied versetzt. Hanslin darf sich nicht mal wehren, weil er einen Maulkorb erhalten hat. Warum lassen Sie zu, dass der grosse Robi-Macher in Misskredit gezogen wird?

Wir haben Andreas Hanslin ein sehr grosszügiges Angebot gemacht, das er ausgeschlagen hat. Wir haben seit Jahren dieselben Forderungen gestellt und liefen immer damit auf. Dass Sie behaupten, sein Lebenswerk würde nun beschädigt, ist falsch.

Sie haben ihm einen neuen Betriebsleiter vor die Nase gesetzt, Sie bauen die Strukturen des Vereins um, damit stellen Sie seine Leistungen und ein Stück weit auch sein Lebenswerk infrage.

Sein Lebenswerk sind die Angebote für Kinder und Jugendliche und diese sichern wir gerade.

Warum haben Sie Hanslin und seinem Stellvertreter Guy Dannmeyer einen Maulkorb verpasst?

Sie haben keinen Maulkorb verpasst bekommen. Es ist aber nicht ihre Aufgabe, mit den Medien zu sprechen, sondern sich um den Betrieb zu kümmern.

«Die GGG führt eine Vielzahl von Organisationen. Wir können nicht jeden Wechsel kommunizieren.»

SP-Grossrätin Franziska Reinhard ist aus dem Vorstand der Robi-Spiel-Aktionen ausgetreten, weil das Gremium faktisch entmachtet worden sei und alle wichtigen Entscheidungen von der GGG diktiert worden seien. Entspricht das den Gepflogenheiten bei der GGG?

Ich gebe keine Auskünfte zu internen Diskussionen.

Wie kommentieren Sie den Rücktritt?

Siehe obige Frage.

Warum haben Sie den Rücktritt nicht kommuniziert?

Warum sollten wir das tun? Die GGG führt eine Vielzahl von Organisationen mit entsprechenden Leitungsgremien. Wir können nicht jeden Wechsel kommunizieren.

Jedenfalls sind nach Reinhards Rücktritt nur noch Personen mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund im Robi-Vorstand vertreten.

Wir wollen den Vorstand erweitern, die Kompetenzen in den Bereichen Jugendarbeit und soziokulturelle Arbeit braucht es.

«Wir verstehen, dass es bei den Mitarbeitenden Ängste gibt.»

Es scheint ein Kommunikationsproblem zu geben. Auch die Angestellten der Robi-Spiel-Aktionen wünschen sich, dass Sie mit ihnen sprechen und nicht einfach Tatsachen schaffen.

Wir sind laufend im Gespräch mit den Robi-Spiel-Aktionen. Was wir vorhaben und besprechen, gehört aber nicht in die Medien.

Sie führen keine Gespräche mit den Mitarbeitern.

Ich bin gerne bereit, solche Gespräche zu führen, sei es mit Einzelpersonen oder Gruppen. Bis heute waren zwei solche Termine in Aussenstellen des Robi geplant. Sie kamen bis jetzt aber nicht zustande, weil vonseiten der betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgeteilt wurde, sie hätten im Moment keine Zeit dafür.

Sie kommunizieren nur innerhalb der Hierarchie und erklären den Leuten nicht, was Sie vorhaben. Das verunsichert.

Wir sind an eine Personalversammlung gegangen und haben uns erklärt…

…wobei die Versammlung im Desaster endete…

…ein Desaster war es in meiner Wahrnehmung nicht. Die Versammlung war intensiv, teilweise emotional, aber der gegenseitige Umgang war respektvoll. Wir verstehen, dass es bei den Mitarbeitenden Ängste gibt.

Wie stark ist Ruth Ludwig-Hagemann, die starke Frau der GGG, in diese Restrukturierung involviert?

Sie ist Vorstandsdelegierte der GGG, insofern ist sie selbstverständlich in wichtige Entscheidungen involviert. Aber als Teil einer Führungscrew.

https://tageswoche.ch/stadtleben/meuterei-auf-dem-robi/

Was halten Sie von den Bestrebungen, den Verein aus der GGG zu lösen?

Das ist jetzt nicht das Thema. Wir müssen uns jetzt um die Überschuldung und Transparenz in den Finanzen des Vereins kümmern.

Könnte eine Lösung der Krise darin liegen, die Trägerschaft zu verbreitern?

Die Trägerschaft war noch nie ein Problem, seitdem 1996 Pro Juventute und die GGG den Verein gegründet haben. Sie wurde erst jetzt zum Problem gemacht. Als Pro Juventute sich zurückzog, gab es niemanden, der sich für die Trägerschaft interessierte.

Wie begründen Sie das Konstrukt, wonach die GGG allein über den Robi bestimmt, aber nur einen Bruchteil der Kosten übernimmt?

Dieses Modell ist Standard bei vielen Non-Profit-Organisationen mit Leistungsaufträgen der öffentlichen Hand. Im Quervergleich ist es im Gegenteil viel, was wir an den Robi bezahlen. Die GGG entrichtet zurzeit einen jährlichen Betriebsbeitrag von CHF 170’000.

Die GGG leistet herausragende Arbeit im Sozialen, ebenso die Robi-Spiel-Aktionen. Jetzt bekämpfen sich beide Organisationen. Wie wollen Sie das stoppen und die Zusammenarbeit wieder aufnehmen?

Ich möchte betonen, dass die GGG nicht in einem Kampf mit den Robi-Spiel-Aktionen steht. Wir pflegen den Dialog mit der Geschäftsleitung und den Mitarbeitern. Aber wenn die Emotionen hochkochen, braucht es Zeit, bis sich die Dinge wieder gelegt haben. Wir werden das gemeinsam schaffen, davon bin ich überzeugt. Die Robi-Spiel-Aktionen leisten sehr gute Arbeit, wir setzen uns auch dafür ein, dass die Angestellten ihre Jobs behalten können. Das ist die Basis, die uns trägt.

Dossier Robi-Revolution

Die Robi-Spiel-Aktionen sind den Kinderschuhen entwachsen. Jetzt streitet der Verein mit der Trägerin GGG um seine Zukunft.

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