Es hätte das Jahr werden können, in dem Andreas Hanslin für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird. Er wäre in die verdiente Pension gegangen, neue Kräfte hätten übernommen und die Robi-Spiel-Aktionen in seinem Geist weitergeführt.
Doch statt auf ein Denkmal blickt Hanslin nun auf einen Trümmerhaufen. «Robi-Spiel-Aktionen in der Krise: Leiter geht und in der Kasse fehlt eine halbe Million», titelte die «bz Basel» Anfang März. Ein deliktisches Verhalten könne nicht ausgeschlossen werden, hiess es weiter. Hat Hanslin in die Kasse gegriffen?
Seine Person wurde in den Medien in Misskredit gezogen und damit auch die Robi-Spiel-Aktionen. Hanslin repräsentiert den Verein nicht nur auf dem Papier, sondern auch als Person. Beides ist voneinander nicht zu trennen, Robi ohne Hanslin nicht vorstellbar.
Der Alt-68er ist der Kopf des Vereins, Gründer und Langzeit-Betriebsleiter. Angefangen hat er mit einem Dutzend Aktivisten. Heute ist der Verein ein soziales Unternehmen mit fast 300 Mitarbeitenden. Tausende Basler Eltern haben diesem schon bedenkenlos ihre Kinder anvertraut – zum Spielen auf einem der Abenteuer-Spielplätze, bei den Ferienwerkstätten oder beim täglichen Essen am Mittagstisch.
Viele haben selber beste Erinnerungen an den Robi. Nun erodiert dieses Vertrauen, die wertvollste Währung in der Kinder- und Jugendarbeit. Dieser Vertrauensverlust gefährdet ein Unternehmen mit über 13 Millionen Franken Jahresumsatz – stärker als das einmalige Minus von etwas über einer halben Million.
Das fehlende Geld, um das sich jetzt alles dreht, ist denn auch nur der Auslöser und der sichtbarste Aspekt der Krise, welche die Robi-Spiel-Aktionen erfasst hat. Die Ursachen liegen tiefer. Wer sie erforschen will, muss den Blick vom Robi, von der fehlenden halben Million und Hanslin lösen und auf die Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige richten – besser bekannt unter ihrem Kürzel GGG. Die Basler Grosshelfer, die Dutzende gemeinnütziger Organisationen leiten oder betreuen, bilden die Trägerschaft des Robi und stellen den Vorstand.
Jahrelang ging alles gut, der Robi gedieh und die GGG schaute zufrieden zu. Bis zu dieser rätselhaften Geschichte.
Jahrelang begleitete dieser Vorstand den Robi eng. Man besprach sich mit der Betriebsleitung und entschied gemeinsam. Jahrelang ging das gut, der Robi gedieh und die GGG schaute zufrieden zu. Seit der rätselhaften Geschichte um das Loch in der Kasse ist alles anders. Der Robi fühlt sich von der GGG belogen und verraten und will nicht mehr von ihr geführt werden. Die GGG ihrerseits will noch viel straffer und tiefgreifender führen. Zwischen den zwei grundverschiedenen Unternehmenskulturen klafft ein Graben. Es wird um Führungsstrukturen und Einfluss gerungen.
Gekämpft wird auch um die Deutungshoheit in diesem Konflikt: Muss die GGG eine marode, naiv betriebene Organisation sanieren, wie sie es den Medien gegenüber kommuniziert? Oder zerstört sie selbst gerade mutwillig die besondere Robi-Kultur, um sich zur Aufhübschung des eigenen Portfolios den erfolgreichen Robi ganz einzuverleiben, wie Robi-Mitarbeitende fürchten?
Im Moment, zumindest das scheint unbestritten, läuft ein Kampf zweier Vereine, die im Verständnis aller für das Gute stehen. Dabei schien noch Anfang Jahr alles in Minne und im Sinne aller.
Nach über 30 Jahren Engagement weit über sein Vollzeit-Pensum hinaus hatte Hanslin mehrfach angedeutet, die letzten Jahre vor der Pensionierung etwas ruhiger angehen zu wollen. Mit seinem Stellvertreter Guy Dannmeyer schien die Nachfolge betriebsintern in guten Händen.
Das wusste auch der Robi-Vereinsvorstand, der aus fünf Vereinsmitgliedern der GGG zusammengesetzt ist. Sein Präsident Peter Krebser und GGG-Geschäftsführer Dieter Erb offerierten Hanslin Mitte Februar einen neuen Vertrag: Er hätte sein Pensum auf 80 Prozent reduzieren und sich auf die offene Kinder- und Jugendarbeit konzentrieren können – bei weiterhin vollem Verdienst. «Ein sehr grosszügiges Angebot, das er ausgeschlagen hat», kommentiert GGG-Geschäftsführer Dieter Erb gegenüber der TagesWoche.
Tatsächlich wollte Hanslin diesen vergoldeten Abgang nicht. Es ging ihm um seine Glaubwürdigkeit. 30 Jahre lang hatte er flache Hierarchie- und Lohnstufen gepredigt – und jetzt sollte er bei weniger Arbeit weiter hundert Prozent verdienen? Auch konnte Hanslin nicht akzeptieren, dass der Vorstand ihn zurückstufen wollte und bereits einen neuen Geschäftsführer eingestellt hatte, ohne ihn und seine Betriebsleiter anzuhören oder gar mitbestimmen zu lassen.
Das «grosszügige Angebot» sah Hanslin als schon länger aufgegleisten Plan, ihn zu entmachten, um den Verein gründlich neu zu strukturieren. Die Wahl, vor die er sich gestellt sah, hiess: Geld oder Ehre. Doch einen wie Hanslin kann man nicht mit einem goldenen Fallschirm ködern. Er reagierte mit der Kündigung.
Hanslin darf sich dazu nicht mehr in den Medien äussern. Der Vereinsvorstand hat ihm unmissverständlich einen Maulkorb verpasst. Auch für weitere Mitglieder der Robi-Geschäftsleitung gilt: Wer spricht, der fliegt. Der TagesWoche liegt jedoch eine Stellungnahme der gesamten Geschäftsleitung des Vereins Robi-Spielplatz-Aktionen vom 23. Februar vor, adressiert an diverse GGG-Stellen, in der die Stimmungslage der Robi-Leute zum Ausdruck kommt.
Ein Ökonom übernimmt
Die Geschäftsleitung zeigt sich darin irritiert über die überraschende Kündigung Hanslins und die gleichzeitige Präsentation seines Nachfolgers Christof Biedermann. Der Lebenslauf des Ökonomen ist bisher weiss, was Soziales oder die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen angeht. Dafür hat er viel Erfahrung in der Führung und den Finanzen von Grossfirmen wie der Valora oder zuletzt als CEO der Asag-Gruppe, einer der grössten Autohändler der Region.
Der Palmarès hilft Biedermann auf der Robi-Geschäftsstelle kaum, um als von oben diktierter Nachfolger des beliebten Andreas Hanslin Vertrauen zu gewinnen.
In der Stellungnahme an den Vereinsvorstand sowie die Führungsspitze der GGG formuliert die Robi-Geschäftsleitung ihr Misstrauen und Missfallen über das Vorgehen des Vorstands:
«Für uns kam dieser Entscheid aus dem Nichts, traf uns völlig unerwartet und unvorbereitet. Der gewählte Zeitpunkt wie auch die Kommunikation des Entscheids haben uns irritiert und konsterniert. Wir können das Vorgehen in dieser Angelegenheit in keiner Weise nachvollziehen und verstehen.»
Im weiteren Verlauf preist man die eigenen Stärken in der Arbeit, fürchtet den Verlust der aufgebauten Mitarbeiterkultur:
«Die Organisation ist in den letzten Jahren personell und strukturell stark gewachsen. Wir, die Mitglieder der Geschäftsleitung, haben (beginnend im Frühling 2017) eine Anpassungs- und Umstrukturierungsphase gestartet (…). Es ist uns sehr bewusst, dass es strukturelle und organisatorische Anpassungen benötigt, damit sich der Verein auch in Zukunft auf einem soliden Fundament gesund, organisch und nachhaltig weiterentwickeln kann.»
Und auch die «finanzielle Schieflage» in der Jahresabrechnung 2016 benennt die Geschäftsleitung offen:
«Die Revisionsstelle hat den Vorstand im Sommer 2017 auf diesen Punkt der Abgrenzung aufmerksam gemacht. Die Rechnung wurde trotzdem vom Finanzausschuss des Vereinsvorstandes unterschrieben und an der ausserordentlichen Mitgliederversammlung vom 7. September 2017 genehmigt und damit rechtskräftig angenommen.»
Alle wussten es, alle trugen es mit – und nun ist Hanslin alleine schuld?
Für die Führungscrew des Robi ist zu diesem Zeitpunkt die Zukunft unter dem Dach der GGG infrage gestellt:
«Unter diesen Umständen sehen wir weder für uns persönlich noch für den Verein Robi-Spiel-Aktionen eine Perspektive für eine weitere vertrauensvolle und professionelle Zusammenarbeit mit der GGG Basel als Träger des Vereins Robi-Spiel-Aktionen.»
Die GGG positioniert sich als Retterin
Noch handelte es sich beim Konflikt zwischen den beiden gemeinnützigen Institutionen um einen Hausstreit. Doch eine Woche später wird die Auseinandersetzung publik: In der «bz Basel» erscheint Anfang März der erwähnte Artikel mit dem tendenziösen Titel, der selbst deliktische Handlungen von Hanslin nicht ausschliesst.
GGG-Geschäftsführer Dieter Erb bestätigt gegenüber der Zeitung, dass es bei der Buchhaltung Unklarheiten gibt. Er positioniert die GGG als Retterin in der Finanznot: «Wir stehen als Träger in der Verantwortung.» Erb betont, dass die Robi-Spiel-Aktionen in keiner Art und Weise infrage gestellt seien. Dann läutet er die vom Robi längst befürchtete Übernahme ein: Eine Idee sei, den Verein ganz in die GGG zu integrieren.
Den deliktischen Vorwurf gegen Hanslin entkräftet Erb nicht. Er widerspricht auch nicht in der Medienmitteilung, welche die GGG am nächsten Tag verschickt. Hanslin wird darin sogar zusätzlich für die Verunsicherung der Robi-Mitarbeiter verantwortlich gemacht: «Andreas Hanslin hat sich entschieden, per Ende Juni 2018 zu kündigen und in Pension zu gehen. Dies hat zu einer grossen Verunsicherung bei den Mitarbeitenden geführt.»
Die Perspektiven von Robi und GGG, was alte Probleme und neue Pläne angeht, sind diametral verschieden. Für die Robi-Leute scheint es, als kämen die Indiskretion in der Presse und auch die Diskreditierung von Hanslin nicht ungelegen. Er soll in den höchsten Gremien der GGG schon länger auf der Abschussliste gestanden haben.
Bei der GGG setzt Geschäftsführer Dieter Erb im Tagesgeschäft zielstrebig die Restrukturierung um. Der Jurist stiess 2008 zur GGG, zuvor war er als Amtsvormund tätig. Er sei es sich gewohnt, für andere Menschen Entscheidungen zu treffen, lästern sie beim Robi.
Erb vorgesetzt ist Ruth Ludwig-Hagemann, sie gilt als starke Figur bei der GGG. Einer breiteren Öffentlichkeit ist sie als Verwaltungsrätin von Radio Basilisk und früher der «Basler Zeitung» bekannt. 2010 wurde sie zur Delegierten des GGG-Vorstands berufen. Damit unterliegt sie keiner Amtszeitbeschränkung, während die anderen Vorstände nur für sieben Jahre gewählt werden. Bei der GGG arbeitet Ludwig-Hagemann intensiv am internen Umbau. Sie verdrängt Vertreter des alten Basler Geldadels, des Daigs, holt Wirtschaftsleute und Politiker in die Gremien. Ihre Machtfülle dokumentiert das Organigramm.
Ludwig-Hagemann und Erb geben auch beim Robi den Takt an. Sie bestimmten über die Personalie des neuen interimistischen Geschäftsführers Biedermann, ohne Diskussion. Im Robi-Vereinsvorstand sind aber nicht alle bereit, den Entscheid stumm abzunicken. SP-Grossrätin Franziska Reinhard, die selbst einen Master in Betriebswirtschaftlichem Management für Non-Profit-Organisationen hat, tritt nach dem Diktat von oben aus dem Vorstand zurück.
Darüber reden will Reinhard nicht. Sie lässt der TagesWoche aber dieses Statement zukommen:
«In der jüngeren Vergangenheit äusserte ich im Vorstand wiederholt Bedenken, wie die finanzielle und personelle Situation bei den Robi-Spiel-Aktionen gelöst werden sollte, und hinterfragte die interne und externe Kommunikation. Meine Bedenken wurden von den Kolleginnen und Kollegen jedoch nicht geteilt. Ausschlaggebend für meinen Rücktritt war letztlich, dass zunehmend die GGG-Vereinsmitglieder und nicht mehr die Robi-Vorstandsmitglieder die wesentlichen Entscheide fällten, weshalb ich für diese Entscheide auch nicht länger die Verantwortung übernehmen konnte und wollte.»
Über die Robi-Spiel-Aktionen entscheidet heute also nicht mehr ihr Vereinsvorstand. Faktisch dirigiert die GGG beziehungsweise die Vorstandsdelegierte Ruth Ludwig-Hagemann die Geschicke beim Robi.
Dieses Machtmonopol bestand nicht von Anfang an. Bis vor sechs Jahren war die Pro Juventute gleichberechtigte Trägerorganisation in der Mitgliederversammlung und im Vereinsvorstand. Doch als die Pro Juventute den Verein Robi-Spiel-Aktionen nicht mehr mit 50’000 Fanken jährlich unterstützen konnte, überwarf sich die Jugendstiftung mit der GGG. «Dabei zeigte sich, dass die GGG als zweite Trägerorganisation kein Interesse an einer erheblich reduzierten oder rein ideellen Unterstützung hat», heisst es im Jahresbericht 2012.
Pro Juventute konnte nicht mehr zahlen, die solvente GGG sprang ein und sicherte sich den vollen Zugriff auf den Robi.
Die damalige Präsidentin des Robi-Vorstands, Charlotte Vonder Mühll-Vischer, erinnert sich: «Als Pro Juventute in finanzielle Schwierigkeiten geriet, übernahm die GGG ihren Betrag. Das war ja gute Reklame.» Sie selber habe das neue Konstrukt mit der GGG als alleiniger Trägerin aber sonderbar gefunden: «Nun bestand der Vereinsvorstand aus GGG-Mitgliedern, aber niemand war Mitglied beim Verein Robi-Spiel-Aktion. Dass die GGG mit 100’000 Franken alles bestimmt, ist doch verrückt!»
Die neuen Machtverhältnisse bekam der Robi-Vorstand schnell zu spüren: «Als Folge änderte sich der Ton von oben. Die GGG begann immer mehr zu diktieren», erinnert sich Vonder Mühll-Vischer.
Als Erstes begann Ludwig-Hagemann den Vorstand umzustrukturieren: «Frau Ludwig warf langjährige Vorstände von der Pro Juventute raus. Sie wollte einen Treuhänder zur Finanzkontrolle reinholen und jemanden aus der Politik, um mehr Geld zu bekommen», sagt Vonder Mühll-Vischer. Mit Franziska Reinhard sei eine vorzügliche Lösung gefunden worden, doch der neue Treuhänder sollte auch gleich Präsident werden: «Das wollte ich nicht und habe mich erfolgreich gewehrt. Das war ein sehr unangenehmes Telefonat mit Frau Ludwig.»
Die Finanzen blieben weiterhin der Dauerbrenner: «Die Buchhaltung war immer zu dilettantisch für Frau Ludwig.» Der unangekündigte Besuch einer Controlling-Firma habe aber keine Fehler zutage gefördert. «Ich fand das gspässig. Klar musste die Buchhaltung angepasst werden. Der ehrenamtliche Buchhalter Urs Buri war ja schon über 70 und machte das nach alter Schule, aber tadellos», sagt Vonder Mühll-Vischer.
Doch ging es nicht allein um Personalien. Ruth Ludwig-Hagemann wollte den Verein Robi-Spiel-Aktionen zu einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft umkrempeln, fest im Griff der GGG. Der Plan scheiterte am Widerstand der Christoph Merian Stiftung, auch sie eine Robi-Geldgeberin.
Nach nur drei Jahren unter der Solo-Trägerschaft der GGG hatte Vonder Mühll-Vischer genug von Differenzen und Zwängereien: «Das Verhältnis mit der GGG wurde immer schwieriger.»
«Skandal» und «Diktatur»
Nachdem Vonder Mühll-Vischer 20 Jahre lang den Robi beaufsichtigt hatte, verabschiedete sie sich. Mit ihr ging auch der langjährige Buchhalter Urs Buri. In seiner Amtszeit hatte es nie grosse Ausreisser in der Robi-Jahresrechnung gegeben. Das Gespann Buri und Hanslin, so unkonventionell es auch arbeitete, es funktionierte.
Dass es gleich im ersten Jahr nach seiner Ägide zum grossen Minus kam, überrascht Vonder Mühll-Vischer: «Ich kann es bei dem Fokus auf die Finanzen nicht wirklich verstehen, aber es kam in dem Jahr auch viel dazu.» Die Robi-Spiel-Aktionen wuchsen und wuchsen. Waren es zu ihrer Zeit noch maximal 8,5 Millionen Franken, geht es in der strittigen Rechnung 2016 bereits um 12,5 Millionen, also fast 50 Prozent mehr Umsatz.
Die Abenteuerspielplätze waren bald eine Nische im Gesamtgefüge. Restaurants auf der Kunsteisbahn, im Bachgraben oder beim Eglisee, der «Määrliwald» am Weihnachtsmarkt und andere neue Angebote kamen hinzu. Den Überblick zu behalten ist schwierig: Die Finanzierung stammt aus zwei unterschiedlichen Kassen des Erziehungsdepartements, viele Robi-Angestellte arbeiten für verschiedene Angebote der Robi-Spiel-Aktion, die aus unterschiedlichen Kassen finanziert werden.
Doch die wirkliche Tragik sieht Vonder Mühll-Vischer in der Art der Absetzung Hanslins: «Der Skandal ist, dass Herr Hanslin angeschwärzt wird. Ich will betonen, wie genial seine Arbeit war.»
Zahlen statt Menschen
Im Verlauf der Recherche melden sich mehrere langjährige Spielplatzleiter und Betreuer von Tagesstrukturen bei der TagesWoche. Sie fürchten, dass bald nur noch Zahlen zählen. Restrukturierungen würden meist auf dem Buckel der Schwächsten ausgetragen, sagt einer: «Ich mache mir grosse Sorgen um die Menschen in meinem Team, darunter Teilzeit-IV-Rentner und Langzeitarbeitslose, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben.»
Ein Zweiter ergänzt: «Vom neuen Leiter werden zurzeit nur die Finanzen studiert. Die Menschen werden zu Zahlen und Lohnsummen umdefiniert, der Inhalt der Robi-Spiel-Aktionen interessiert ihn nicht.» Es werde Druck und Angst verbreitet, und bereits seien Kündigungen angedroht worden. Entscheide würden jetzt nur noch von oben kommuniziert, obwohl beim Robi seit 30 Jahren erfolgreich eine «Bottom-up»-Kultur gelebt werde. «Das droht nun in wenigen Wochen zerstückelt und zerstört zu werden.»
Beim Robi pflege man eine Kultur des Miteinanders. Bei Unstimmigkeiten und Streit würden gemeinsam Lösungen gesucht, sei es mit Kindern und Jugendlichen oder im Team. «Bei der GGG gibt es kein Mitspracherecht, es ist eine Diktatur. Selbst auf den Brief unserer Abteilungsleiter kam keine Reaktion.»
Die Robi-Basis sieht die GGG nicht als finanzielle Retterin, sondern als strukturelle Vernichterin.
Anfang März – es rumorte bereits gewaltig – sollte ein Mitarbeiteranlass die Wogen glätten. Doch statt den Konsens förderte er nur die Spaltung. Gut 150 Robi-Angestellte erscheinen in Schwarz und überreichen Hanslin unter Applaus Blumen. Die offene Fragerunde moderiert GGG-Geschäftsführer Erb. Ein Anwesender erzählt: «Die Rolle behagte ihm sichtlich nicht. Normalerweise wollen alle zur GGG. Wir sind wohl die Einzigen, die wegwollen.» Als Vereinsvorstand-Präsident Peter Krebser eine Fragende grob abschmettert, müssen die Robi-Betriebsleiter beschwichtigen, um den Tumult zu stoppen.
Die Robi-Basis, das wird in zahlreichen Gesprächen deutlich, sieht die Trägerschaft nicht als finanzielle Retterin – sondern als strukturelle Vernichterin. «Die GGG unterstützt im sozialen Bereich sehr viele wertvolle Institutionen, und dies ist auch gut so», anerkennt einer. Doch den Betrieb Robi-Spiel-Aktionen wolle man nun rentabel machen, ganz im Sinne einer feindlichen Übernahme. Die Gemütslage ist düster: «Wir sind der Macht der GGG gnadenlos ausgeliefert, rein rechtlich gesehen haben wir keine Chance.»
Nach dem Mitarbeiteranlass spitzt sich der Konflikt zu: Der Robi wird zum Thema im Grossen Rat, die Verleihung des renommierten Prix Social an den Robi und seinen langjährigen Geschäftsführer Hanslin steht zeitweilig auf der Kippe. Die Kluft zwischen Geschäftsleitung und Vorstand wächst.
Der nächste Eklat scheint nicht mehr fern
Ende März suchen die Robi-Angestellten mit einer Unterschriftensammlung Unterstützung für ihre Ablöse-Pläne. Der Vereinsvorstand interveniert sofort und verbietet die Aktion. Doch die Verunsicherung wächst nicht nur bei den Angestellten: Eine erste Stiftung zieht ihren Beitrag zurück und Eltern fragen: «Was ist los?» Auf sozialen Netzwerken solidarisiert man sich in Gruppen mit dem Robi, und eine Privatperson sammelt Unterschriften für eine Anfrage an das Erziehungsdepartement. Schliesslich geht bei der Basler Regierung ein von 200 Eltern unterzeichneter Brief ein mit der Forderung, im Sinne des Robi in den Konflikt einzugreifen.
Fasst man all die Vorkommnisse und Irritationen zusammen, scheint der nächste Eklat nicht mehr fern. Eine Kontroverse bahnt sich bei der Jahresrechnung 2017 an. Aus Robi-Kreisen ist zu hören, die neuen Finanzleute würden mit allen Mitteln versuchen, ein Defizit reinzuschreiben, um die Intervention der GGG zu legitimieren. Deren Geschäftsleiter Erb spricht gegenüber der TagesWoche tatsächlich schon von einem «Desaster».
Aber Geldfragen sind nur vordergründig das Problem. Zwischen GGG und Robi herrscht ein Kulturkampf: «Top-down» knallt auf «Bottom-up». Ob sich die zwei noch finden, oder die Robi-Spiel-Aktion ohne GGG nicht tatsächlich besser aufgehoben sind?
Nun soll ein Krisentreffen der wichtigsten Geldgeber wenigstens etwas Klarheit schaffen. Die GGG, die Christoph Merian Stiftung und das Erziehungsdepartement diskutieren über die verfahrene Situation. Vor allem das Votum der Verwaltung wird Gewicht haben: Über sieben Millionen Franken überweist das Departement jährlich an den Robi – ohne in die Entscheidungsprozesse involviert zu sein. Die GGG bestimmt mit (nach eigenen Angaben) 170’000 Franken, also etwa einem Prozent der Finanzierung, alles.
Dass kein Vertreter der Robi-Spiel-Aktionen mit am Tisch sitzt, dürfte bei der Basis die Skepsis weiter verstärken und Sezessionspläne nähren. Eine weitere Eskalation ist wahrscheinlich – vielleicht sogar eine, vor der man bislang zurückgeschreckt ist. Dem viel gelobten und heute gescholtenen Robi-Erfinder Andreas Hanslin ist es zu verdanken, dass die Tagesstrukturen nicht bestreikt wurden, um den Druck auf die Politik zu erhöhen. Seine interne Ansage: Die Kinder dürfen nicht zu Leidtragenden des Konflikts werden.
Nach Hanslins Abgang ist fraglich, wie lange das noch so bleibt.