Hurra-Patriotismus, üble Gewalt und eine Handlung wie aus einem Michael-Bay-Film: Ghost Recon: Wildlands macht dennoch – ich muss es sagen – Spass. Man muss das Spiel einfach wie einen Sandkasten betrachten, der zum Austoben dient.
Die Tom-Clancy-Reihe ist geprägt von meist mehr als grenzwertigem Hurra-Patriotismus und purer Kriegsgurgel-Mentalität. Wenn irgendwo auf der Welt ein Konflikt existiert, gibt es bestimmt ein flottes Spezialkommando, das ihn mit viel Blei und Granaten aus der Welt schafft, so die Botschaft. Von all den Clancy-Spielen war dies besonders in der Ghost-Recon-Reihe stets der Fall: Von Nordkorea über Russland bis nach Eritrea sorgte die fiktive Spezialeinheit bereits für Recht und Ordnung nach erzrepublikanischem Credo.
Nun ist also Ghost Recon: Wildlands erschienen. Das Szenario: Ein ultraböser mexikanischer Drogenboss namens «El Sueño» (=dt. der Traum) träumt (!) von einem eigenen Drogenhändler-Staat. Weil Mexiko sich dafür aber nicht so gut eignet (zu starke Polizei und Armee), expandiert er nach Bolivien.
Das kleine südamerikanische Land droht im Chaos zu versinken, da Herr Sueño nicht sehr zimperlich mit den Einwohnern umgeht. So was ruft natürlich schon bald die Weltpolizei USA auf den Plan, die die titelgebenden Ghosts entsendet, um den Traum zum Alptraum werden zu lassen und Mister Sueño in den Dauerschlaf zu versetzen.
Ja, die Handlung klingt wie eine wilde Mischung aus Michael-Bay-Fantasie und Donald-Trump-Wahlprogramm. Ich bin unschlüssig, ob ich ein derart überzogenes und klischiertes Setting einer realistischeren Variante vorziehen soll. Eines ist aber klar: Im Jahre 2017 sollte es ein französisches Entwicklerteam besser wissen. Entsprechend liess auch die Antwort Boliviens nicht lange auf sich warten: Eine formale Beschwerde ob der Darstellung des Landes wurde bei der französischen Botschaft platziert.
Die Antwort von Ubisoft lautete: Das Spiel sei Fiktion, wie etwa ein Film oder eine TV-Show es sei. Das Geschehen sei zwar von der Realität inspiriert, diene aber ausschliesslich der Unterhaltung. Bolivien sei aufgrund seiner fantastischen Landschaften und reichen Kultur ausgewählt worden. Das ist zwar einigermassen fadenscheinig, die Umsetzung der erwähnten Landschaften muss dem Spiel aber durchaus angerechnet werden.
Wie die Hügel und Berge, Wälder und Steppen umgesetzt wurden, ist grafisch und spielerisch äusserst sehenswert und abwechslungsreich. Auch die Möglichkeiten, sich mit Helikoptern, Flugzeugen, Booten und verschiedenen Autos und Lastwagen durch das Land zu bewegen, sind ohne jeden Zweifel toll. Das Spiel selbst ähnelt zudem eher der berühmt-berüchtigten GTA-Reihe als einer ernst zu nehmenden Militärsimulation (wie dies bei früheren Teilen der Reihe der Fall war).
Der politische Hintergrund verliert an Bedeutung – spätestens, wenn man mit einem Lamborghini auf eine Luxusjacht springt.
Wenn man das Dargebotene als Mehrspieler-Action-Simulation im Geiste von Chuck-Norris- und Sylvester-Stallone-Filmen versteht und den fragwürdigen Realitätsbezug wegdenkt, macht Wildlands durchaus Spass. Ja, man muss als Eliteeinheit fiese Drogensoldaten bekriegen und sich mit an Karikaturen grenzenden Freiheitskämpfern verbünden. Ja, das Ganze ist kriegsverherrlichend und brutal. Aber wenn man versucht, mittels Fallschirm von einem Helikopter auf ein startendes Flugzeug umzusteigen oder mit einem Lamborghini auf eine Luxusjacht springt, verliert der politische Hintergrund doch stark an Bedeutung.
So kann ich nicht verhehlen, dass ich mich mit Freunden in diversen Multiplayer-Abenteuern ziemlich gut unterhalten habe. Abgesehen von einigen Bugs, die hoffentlich demnächst mit einem Patch behoben werden, ist Wildlands grundsolide umgesetzt und glänzt mit tollen, gigantischen Karten, auf denen man sich «austoben» kann. So wie es sich für ein gutes «Sandkasten»-Spiel eben gehört.
Wer es also schafft, die krude weltpolitische Botschaft auszublenden und auf der Suche nach einer GTA-Variante ist, wird hier fündig. Und wenn die Landschaften in Bolivien wirklich derart atemberaubend schön sind, wie im Spiel dargestellt, kann sich das Land für die Tourismus-Werbung bedanken. Es müsste halt bloss einen Modus geben, der sämtliche Gegner durch böse Ausserirdische oder Ähnliches ersetzt.