Im letzten Winter ist Marina Gilardoni die Überfliegerin im Skeleton-Weltcup, zuletzt geht die 29-jährige St. Gallerin aber fast schon wörtlich an Krücken. Nun ist aber wieder Zuversicht angesagt.
Marina Gilardoni freut sich und lacht. «Ich habe jetzt ein ‚Wägeli‘ für meinen Schlitten», erzählt sie begeistert. Vor dem Start zur WM in Königssee (1. Lauf am Freitag um 15.00 Uhr) braucht es wenig, um sie aufzuheitern. Die letztjährige EM-Bronzemedaillengewinnerin ist schon froh, dass sie bei den Titelkämpfen in Oberbayern wieder am Start sein kann. Nachdem sie in der vergangenen Saison mit den ersten vier Podestplätzen ihrer Karriere und als Fünfte des Gesamt-Weltcups den Sprung an die Weltspitze geschafft hatte, passte in diesem Winter gar nichts mehr zusammen. Da ist die Tatsache, dass sie ihr rund 30 kg schweres Gefährt weniger herumtragen muss, bereits ein Erfolgserlebnis.
Nach zwei Muskelfaserrissen im Oberschenkel war sie bereits mit einem Trainingsrückstand in die Saison gestiegen, doch die wirklichen Probleme begannen an der zweiten Weltcup-Station vor Weihnachten in Lake Placid. «Beim Sprungtraining hat es mich zusammengestaucht», erinnert sich die St. Gallerin aus der Linthebene. Da ahnte sie noch nicht, wie gravierend sie sich am Rücken verletzt hatte. Zunächst einmal war an ein Athletiktraining nicht mehr zu denken. Bald wurden aber die Schmerzen selbst beim Sitzen fast unerträglich.
Erste Kortisonspritze wirkte nicht
Nach dem Weltcup in St. Moritz liess sie sich am 20. Januar eine erste Kortisonspritze in die Nervenbahnen geben. Ein positiver Effekt stellte sich aber nicht ein, im Gegenteil: Die letzten beiden Weltcup-Rennen in Königssee und Innsbruck musste Gilardoni auslassen. Letzte Woche liess sie sich deshalb ein zweites Mal Kortison spritzen, diesmal direkt in die Bandscheibe. «Darauf hat der Rücken super reagiert», sagt sie nun zufrieden. «Mittlerweile geht auch das Sitzen wieder ganz gut», stellt sie nach der fünfstündigen Autofahrt nach Königssee nahe der österreichischen Grenze fest.
Dennoch dürfte eine Wiederholung des 4. Platzes vom Vorjahr in Innsbruck nicht realistisch sein. «Ich bin in diesem Jahr nie in einen Flow gekommen», weiss sie. «Ich kann deshalb relativ locker an den Start gehen. Es geht in erster Linie darum, wieder ein gutes Gefühl in der Bahn zu bekommen.» Die grosse Herausforderung sei auf der ältesten Kunsteisbahn der Welt der Kreisel, auf den das Labyrinth, eine Kombination von kurzen, schnellen Kurven, folgt. «Der Rest der Bahn liegt mir gut.» Wer diese Kombination viermal gut erwische, sei vorne dabei. «Die Schwierigkeit ist, dass du Risiko eingehen musst, um Tempo für den unteren Teil der Bahn zu bekommen. Aber wenn du zu viel riskierst, leert es dich aus.» Das andere Problem: Im Training erwischte sie das Labyrinth nie richtig gut. «Mal war ich zu früh, mal zu spät.»
Umstellung des Trainings
Marina Gilardoni blickt aber sowieso bereits weiter nach vorne. Dass sie wieder ziemlich schmerzfrei sitzen kann, freut sie insbesondere im Hinblick auf die Olympia-Testwochen in Pyeongchang. Am kommenden Dienstag fliegt sie mit dem Schweizer Bob- und Skeletonteam nach Südkorea, wo erst viele Trainingstage und am 17. März die letzte Weltcup-Prüfung anstehen. «Bereits das Autofahren war in den letzten Wochen die Hölle, an elf Stunden Flug mag ich gar nicht denken», meint Gilardoni mit einem Schaudern.
Für die nächste Saison mit den Olympischen Spielen als Höhepunkt wird sie einiges umstellen müssen. Ganz neu sind diese Schmerzen nicht. «Ich hatte immer wieder Phasen mit Rückenproblemen, aber nie so schlimm», erklärt die ehemalige Leichtathletin, die mittlerweile von Eschenbach nach Siebnen im Kanton Schwyz – auf der gegenüberliegenden Seite des Obersees – gezogen ist. Nach Inputs und Gesprächen mit der Physiotherapeutin und dem Arzt des Verbandes wird sie ihr Sommertraining umstellen müssen. «Mein Rumpf und mein Rücken sind etwas zu schwach für den Sport, den ich betreibe.» Es wird für Gilardoni kein einfacher Balanceakt. Denn mit ihrem bisherigen Trainingsregime gehörte sie athletisch zu den stärksten Fahrerinnen im Feld. Er dürfte ähnlich anspruchsvoll sein, wie den richtigen Weg durch das Labyrinth in Königssee zu finden.